Eine Huldigung an das Aventurische Kompendium

kompendiumZum Glück gibt es das Aventurische Kompendium. Ohne diesen 250-seitigen Regelerweiterungsband für Das Schwarze Auge hätte ich angesichts meiner knapp bemessenen Zeit wahrscheinlich nie wieder einen Blogbeitrag geschrieben.

Das DSA5-Grundregelwerk war in dieser Hinsicht leider eine einzige Enttäuschung. Viel zu rund, viel zu geschmeidig, viel zu durchacht. Oder mit einem Wort: langweilig. Wie bitteschön soll ein Blog gefüllt werden, wenn man nicht über ein völlig verhunztes DSA-Regelwerk meckern kann?

Dankenswerterweise hat die DSA-Redaktion ein Einsehen. Mit dem Aventurischen Kompendium gibt es endlich wieder ausreichend Meckermaterial.

Kompendium der Absurditäten

Im Aventurische Kompendium wird das Talent Klettern völlig überflüssigerweise in Anwendungsgebiete wie Baumklettern, Bergsteigen und Fassadenklettern unterteilt. Danke dafür. Endlich kann ich mich zudem darüber aufregen, dass Kapellmeister und Kupferstich Sonderfertigkeiten sind, die ich mit Abenteuerpunkte kaufen soll, damit mein Held ein Orchester dirigieren oder eine Kupferplatte bearbeiten kann. Herrlich. Und was habe ich gejubelt über diese absurde Tabelle mit den Angaben zu Talent, Intervall und Komplexität für die Herstellung eines Bollerwagens oder einer dreistöckigen Marzipantorte.

Ein wenig enttäuschend ist aber, dass offenbar nicht alle Inhalte im Aventurischen Kompendium ernst gemeint sind. Manche Angaben seien mit einem Augenzwinkern formuliert, wie Markus Plötz von Ulisses in einem Interview mit Orkenspalter TV verrät. Zudem sind die Regeln kein Muss, sie sind optional, wie im Vorwort betont wird. Sie sind Angebot an Spieler, die sich mehr Detailreichtum wünschen.

Wie langweilig.

Liebe DSA-Redaktion, ich spreche wahrscheinlich im Namen aller Meckerköppe der Rollenspielszene, wenn ich sage: Weg mit der Liberalität. Mehr Mut zum Regelfanatismus.

Oder bekennt euch wenigstens zur Hartwurstigkeit als DSA-Leitmotiv.

Wahrscheinlichkeitsrechnung für Helden

Markus Plötz hat im Orkenspalter-Interview bereits gute Ansätze gezeigt. Sein Bekenntnis zum Detailreichtum weist in die richtige Richtung (im Video ab Minute 13:07). Der DSA5-Detailreichtum sei demnach für Spieler gedacht, für die dazugehöre, dass ihr Charakter Wahrscheinlichkeitsrechnung beherrscht und die nicht möchten, dass alle andere Charaktere mit dem Talentwert Rechnen automatisch ebenfalls Wahrscheinlichkeitsrechnung beherrschen.

Genau.

So sieht’s aus.

Mehr davon. Mehr.

Wir brauchen mehr Regeln wie die für Am Geländer herunterrutschen, die ich an dieser Stelle mit einem Vollzitat huldigen möchte:

Den geschicktesten Kämpfern unter den Helden kann es gelingen, an einem Geländer herunterzurutschen und dabei noch einen Schurken zu treten.

Regel: Die Option erfordert 1 Aktion. Um an einem Geländer herunterzurutschen, ist eine Probe auf Körperbeherrschung (Kampfmanöver) erschwert um 1 notwendig. Gelingt die Probe, hat der Held zwei Möglichkeiten:

  • Der Held kann sich so bis zu 4 Schritt weiter bewegen, als er es üblicherweise durch eine Handlung schaffen würde (allerdings nur in die Richtung, in die er rutscht).
  • Möchte der Held einen Gegner am Ende des Geländers mit einem Tritt erwischen, so muss ihm eine um 2 erschwerte Raufen-AT (ohne Basis oder Spezialmanöver) gelingen. Wird der Angriff nicht erfolgreich verteidigt, erleidet der Gegner 1W6+1 TP, wird 1W3 Schritt zurückgeschleudert und erleidet den Status Liegend. Wird der Angriff pariert, erleidet der Gegner keinen Schaden, wird aber 1W3 Schritt weggeschleudert. Eine gelungene Verteidigung durch einen Schild oder Ausweichen bedeutet, dass der Gegner weder TP erleidet, noch weggeschleudert wird.

Wie schön, dass es diese Regel gibt. Denn endlich kann ich mit heiligem Ernst einen ganzen Katalog an Folgefragen aufwerfen:

Wieso kann ich mich mit dieser Regel nur 4 Schritt weiter bewegen als üblicherweise? Warum nicht 5 Schritt? Oder 3 Schritt? Das hängt doch wohl vom Gefälle des Geländers und von dessen Beschaffenheit ab. An einem steilen und gut polierten Geländer rutscht es sich besser als an einem flachen und stumpfen. Und was passiert, wenn das Geländer sehr lang ist? Dann rutsche ich in der nächsten Kampfrunde das Geländer weiter runter, nicht wahr? Dank der dann höheren Geschwindigkeit  (Beschleunigung auf einer schiefen Ebene) müsste meine zusätzliche Bewegungsweite doch über 4 Schritt liegen. Wieso wird das nicht berücksichtigt? Und kann ich einen Gegner angreifen, während ich an ihm vorbeirutsche? Kann er mich angreifen? Und wieso überhaupt kann ich den Gegner am Ende des Geländers nur treten und nicht schlagen? Was, wenn ich mit dem Kopf voraus das Geländer runterrutsche?

Zudem: Wer spezielle Regeln hat für „Am Geländer herunterrutschen und Gegner treten“, für „Fässer rollen lassen und Gegner darunter begraben“ und für „Am Teppich ziehen und Gegner zu Fall bringen“ (stehen alle im Kompendium), braucht auch Regeln für „Bier ins Gesicht schütten und Sicht des Gegners behindern“, für „Tisch umwerfen und Gegner darunter begraben“ und für „Am Geländer herunterrutschen und mehrere Gegner im Vorbeirutschen mit einem Stab aus dem Gleichgewicht bringen und sie die Treppe herunterstürzen lassen“.

Bitte, liebe DSA-Redaktion, verfolgt den mit dem Kompendium eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Denkt dabei nicht nur an euch oder an die Hartwurst-Spieler oder an all die Bücher, die ihr verkaufen könntet, wenn ihr für jede erdenkliche Spielsituation eine eigene Regel formuliert. Denkt auch an uns Blogger und Foristen und wie grau und trist unser Alltag ohne DSA-Gemecker wäre.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

6 Gedanken zu “Eine Huldigung an das Aventurische Kompendium”