„Bei den Toten, er musste dringend pissen. Immer musste er vor einem Kampf pissen.“ (Kriegsklingen, Joe Abercrombie)
Ich lese zurzeit das neueste Werk Joe Abercrombie’s – Heroes. Ein passenderer Name hätte nicht gewählt werden können, denn im Grunde geht es in der Fantasy Reihe um eines genau nicht – um Helden. Ich habe das Gefühl, dass mir diese Bücher vor allem deswegen gefallen und ich sie gerne lese weil die „Helden“ eben das tun was man normalerweise nicht von Helden erwartet. Sie „pissen, rülpsen, furzen“ und sind damit irgendwie einfach nur menschlich und glaubwürdiger.
Aber in diesem Blog geht es ja nicht um Abercrombie’s Blutigen Neuner oder den Hundsmann, sondern um DSA – und DSA braucht Helden. Echte Helden. Aus Fleisch und Blut. Helden die sich nicht zu schade sind durch den Dreck zu kriechen, Dämonen zu bezwingen und die holde Jungfer zu retten. Bleibt die Frage – sind Helden nicht auch nur Menschen? Müssen Helden nicht auch mal den Abort aufsuchen?
Natürlich ist dies immer vom Spielstil jeder einzelnen Gruppe abhängig, aber in den meisten Gruppen in denen ich bisher gespielt habe, wurden die täglichen Geschäfte und allzu „menschlichen“ Nöte geflissentlich in den Hintergrund gestellt. Natürlich ist es stimmig mal den einen oder anderen Helden der beim Wachehalten austreten musste zu überraschen, aber eigentlich passt es nicht zum Bild des „sauberen“ Helden.
Obwohl ich es auch nicht für allzu sinnvoll halte diese Dinge am DSA-Rollenspieltisch dauernd einzubringen – schließlich möchte man ja auch nicht unbedingt alles ausspielen – vermisse ich dieses Element doch manchmal im ach so schönen, stimmigen Aventurien. Vielleicht verleihen manche menschliche Angewohnheiten dem Helden doch einen gewissen Charakter?
Ich möchte mich hier nicht festlegen ob ich es für sinnvoll halte solche Dinge generell in den Heldenalltag mit einzubinden – aber ich denke das eine oder andere Mal hätte ich nichts dagegen wenn solche Elemente am Spieltisch auftauchen.
Sicher bleibt die Angst, dass man dann keinen „Helden“ mehr spielt. Aber um mit den Worten des Hundsmanns zu schließen
„Man muss die Angst kennen, um Mut haben zu können. […] So sagt man und das ist auch gut so. Denn ich könnte mir in die Hose scheißen.“
14 Gedanken zu “Heldenalltag – oder nicht?”
Reicht es denn nicht sitzungslang um luftgetrocknete Fleischereiwaren zu feilschen? Wird demnächst auch Atmen ausgespielt? Oder der Puls mit den Fingern auf dem Tisch geklopft?
Da konnte ich die Intention meines Posts wohl nicht gut genug rüberbringen. Wie schon gesagt geht es nicht darum alles auszuspielen. Ich finde es nur interessant, dass Abercrombie seinen Charakteren "Echtheit" durch eben jene ganz normale, menschliche Dinge verleiht. Nicht mehr nicht minder. Inwiefern das für P&P-Rollenspiel anwendbar ist, sei dahingestellt und jedem selbst überlassen.
OK, ich wollte eigentlich nur einen kurzen, abgeschmackten Witz machen.
Aber ernsthaft: ist es nicht einfacher einen (obdA) Menschen mit glaubhaften Zielen, Sehnsüchten, Merkmalen und Entscheidungen zu spielen, als irgentwie gekünstelt Körperfunktionen reinzuwürgen?
Ich meine ein gut platzierter Furz macht noch lange keinen glaubwürdigen Charakter.
Es geht hier nicht allein um Körperfunktionen. Die "Helden" Abercrombies sind einfach nicht perfekt. Handeln höchstens ausversehen heldenhaft. Ihre Intentionen sind rein menschlicher Natur, z.B. ein Überlebensinstinkt. Die Beschreibung der Körperfunktionen gehen jedoch Hand in Hand mit der Unperfektheit und damit Menschlichkeit der Charaktere.
Die Frage ist für mich immer, sind Helden nur heldenhaft oder auch menschlich. Also habe ich die Gefahr und den Held der losstürzt oder habe ich die Gefahr und den Held der sich selbst überwindet und dann loszieht. Inwiweit will ich aussspielen, dass die Helden dadurch heldenhaft sind, dass sie eigentlich auch nur "normale" Personen in der Spielwelt sind, die heldenhaft handeln, weil es getan werden muss. Wissen die Helden, dass die Chancen mies sind und sie vermutlich ins Verderben ziehen oder wissen die Helden, dass sie die Helden sind und alleine deswegen ihre Chancen schon höher sind als die von jedem anderen Wesen in der Spielwelt. Entweder die Helden sind von Anfang an die Helden und deswegen ziehen sie los. Oder die Helden werden erst dadurch die Helden, dass sie zu dem kleinen Teil von "normalen" gehören die losziehen und dann dann auch noch zu denen die es sogar überlebt haben. Also haben Helden auch Zweifel und Schwächen, haben sie Angst.
Ungefähr darauf zielte mein Post ab. Mir sind die Helden mit Ängsten und Schwächen auf jeden Fall lieber, als die glatten, strahlenden "Helden-Helden".
Jeden Gang aufs Klo auszuspielen dürfte auf Dauer wahrscheinlich etwas nervig werden. 😉 Aber darum geht es Benjahmin auch nicht.
Das Ausspielen von manchen menschlichen Angewohnheiten kann das Rollenspiel auf jeden Fall bereichern. Solche Angewohnheiten (oder kleine Schrullen) können einen farblosen Stufe-7-Krieger mit AT/PA 15/14 wunderbar lebendig machen.
DSA ist das Abbild der sauberen Fantasy. Abercrombie schreibt dreckige Fantasy. Das passt nun einmal nicht zusammen. Wer dreckige Fantasy spielen will, der muss sich entweder sein eigenes Aventurien abseits der offiziellen Veröffentlichungen schaffen oder eine andere Welt suchen.
Und übrigens erreicht er das, indem er als Autor die Gedanken der Figuren schreiben kann, wie z.B. dein Einleitendes Zitat nur ein Gedanke des Hundsmanns ist. Ein Rollenspieler sollte die Gedanken seiner Figur nicht laut sagen (auch wenn das oft passiert). Es ist also sehr schwer das im Rollenspiel umzusetzen.
Naja, was ein Rollenspieler sagen "muss" oder "sollte" ist wohl am besten ihm selbst überlassen. Ich empfinde den obigen Artikel einfach als Denkanstoß und nicht als "Vorschrift". Ich persönlich mag realistischere Fantasy, kann mich besser in unperfekte Helden hineinversetzen und spiele sie einfach lieber, als die strahlenden Saubermänner. Davon ab will ich aber auch nicht, dass sich der Meister alle zwei Sekunden einmischt, um meinen Helden austreten zu lassen, bzw. den Spieler Selbstbeherrschungsproben würfeln lässt, damit sein Charakter nicht laut und in aller Öffentlichkeit furzt 😉
Ich halte es bei neuen Helden schon gerne so, dass sie ein deutliches Manko bekommen. Ein fehlendes Auge, Brandnarben im Gesicht, ein lahmer Fuß, Stottern, eine Warze, etc. Das macht den Charakter viel glaubwürdiger, denn wer besteht schon mehrere Heldenjahre und massig Kämpfe gegen allerlei bösartige Kreaturen ohne eine deftige Narbe?
Es geht ja hier auch nicht darum, zu erörtern, welche Fantasy jetzt die beste ist, sondern nur darum, einen (wie oben schon beschrieben) Denkanstoß zu bekommen. Denn ganz ehrlich? Es ist doch wirklich spannend, wenn ein Held sich über seine Ängste, Makel und schlechten Angewohnheiten hinwegsetzt und damit dann auch noch Erfolg hat. Wie gesagt, für mich machen negative Eigenschaften und Angewohnheiten (die für mich auch nicht immer in Regeln festgesetzt sein müssen), ein realistischeres Spielgefühl aus.
Ach und @TheClone: Die Geschmäcker sollen ja verschieden sein 😉 Für mich passen Aventurien und "dreckige" Fantasy wirklich gut zusammen. So sauber ist das Setting meiner Meinung auch gar nicht, man überliest imo nur gerne die Stellen, die beschreiben, wie heruntergekommen z.B. Fasar wirklich ist. Das Ganze auf die Helden zu übertragen, sollte ja eigentlich nicht so abwegig sein 🙂
Auf jeden Fall. Der Post sollte als ein Denkanstoß dienen. Und anscheinend hat er das ja auch getan 😉
Zum Thema "dreckige Helden" in Aventurien: Ich denke auch in Aventurien ist genug Platz für diesen Heldentypus. Die Schildlande, das schon genannte Fasar aber auch das klassische Gareth bieten genug Möglichkeiten solche "Helden" zu spielen. Klar hängt das natürlich vom Spielstil der Gruppe ab, aber in Aventurien ist halt nicht alles "Friede, Freude, Eierkuchen" 😉 Es gibt Kriege und Kämpfe und genau solche zerstören Existenzen und verstümmeln Leiber. Von daher kann ich mir einen "Neunfinger Logen" oder einen "Hundsmann" sehr gut in Aventurien vorstellen.
Hm, ich habe bisher noch kein Stück Dreck in Aventurien erleben dürfen. Selbst mein Halbork hat keinen Rassismus zu spüren bekommen, obwohl er sich wirklich daneben benommen hat. Aber das war eh ein Abstieg in grausame Gefilde des RPGs. Sicherlich kann man auch Aventurien ohne große Probleme dreckiger spielen. Aber das offizielle Bild scheint es mir absolut nicht zu sein und es spielt auch keiner so, mit dem ich mal spielen durfte.
Ein Rollenspieler sollte die Gedanken seiner Figur trotzdem nicht laut sagen. Auch wenn man nicht "sollte" sagen sollte. Aber Gedanken kann man nunmal nicht hören. Man kann sie ja anders darstellen, was aber schwer ist. Das Mittel der direkten Darstellung von Gedanken ist nun einmal prinzipiell ein Vorteil von Romanen.
Also dreckig geht in DSA immer… Andergast/Nostria hat z.B. auf meine Magierin sehr feindlich reagiert, sie teilweise (weil Rahjaakoluthin) auch aus den Dörfern gejagt. Nicht nett. Bornland ist auch ne menschenvreachtend-dreckige Region und wenn man im Horasreich auch nur einen Spann unter den schönen Putz sieht, dann offenbaren sich ekelhafte Abgründe. Von Al’Anfa, den Tulamidenlanden gar nicht zu reden – da gilt ein Menschenleben nicht viel.
Nur das Mittelreich kommt mir etwas zu sauber daher. Der Wegelagerer den ich spiele, wurde da noch nie wegen seines niedrigen SO irgendwie grob angegangen oder so. Und dabei ist das son halbwüchsiger „Junge“…
Zu den Helden möchte ich sagen: sie sollten ihre Menschlichkeit durch Ziele, Motivationen, Leidenschaften und Gefühle bekommen. Sich eben „echt“ anfühlen. Klar sind sie fehlbar – allein jede verhauene Talentprobe beweist das. Und sie sollen sich manchmal auch so richtig schön tief in Dliemmata hineinbugsieren. Sowas genieße ich, wenn der Held sich verändert.
Aber ob ein Held „dreckig“ sein soll oder nicht, sollte dem speziellen Stil des Helden überlassen werden.
Hab für spontane Onlinerunden einen etwas simpel denkenden fjarninger Stammeskrieger, der sich eines Morgens nach dem Besuch des Aborts die Hände am Brunnen wusch, an der Linken roch und zufrieden nickte. Für eine Mitspielerin, die soweit ich weiß sogar kreativ an der Zoo-Botanica beteiligt war, war das (Zitat) „too much information“.
Dieser Artikel ruft mir die Enttäuschung, die ich in jenem Moment verspürte wieder ins Gedächtnis. Ab und zu sollten solche Kleinigkeiten einfach ausgespielt werden. Leckereien werden doch auch genüsslich „verzehrt“. Man muss ja nicht ins Detail gehen. Mein obiges Beispiel genügt da meiner Meinung nach völlig.
Hab gerade die Idee bekommen, eine etwas trostloses, wenn nicht sogar dreckiges Gasthaus noch etwas unappetitlicher zu machen, in dem ein Gast plötzlich vom Tisch aufspringt und mit weichen Beinen, die Hände auf die Pobacken gepresst nach draußen eilt. Oder besser noch eine Schankmaid stellt schnell alles, was sie trägt auf den nächstbesten Tisch — den der Helden? — und huscht mit einem blubbernden und würzig riechenden Furz gen Küchenausgang. 😉
Sex ist ja auch so ein Thema. Nach Dorfabenteuern belohne ich gerne mal einen der Helden (oder Heldinnen) mit einem zusätzlichen „Abenteuer“, aber nach dem verführerischen Blick oder dem deutlich spürbaren zu engen Tanz kommt der Cut auf den nächsten Morgen, wenn die Heldin (oder der Held) mit einem Grinsen erwacht — natürlich nur, wenn die KO-Probe gelungen war. 😀