Uthuria-Abenteuer „An fremden Gestaden“ – Rezension Teil I

Seit ein paar Tagen blättere ich durch das erste Uthuria-Abenteuer „An fremden Gestaden„. Ein umfassendes Urteil über ein Abenteuer kann ich meist erst dann fällen, wenn ich es in unserer Runde durchgespielt habe. Alles andere sind Trockenübungen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle meinen Eindruck loswerden.

Der Text ist lang geworden, länger als geplant. Ich habe ihn deshalb auf zwei Beiträge aufgeteilt. Auf Spoiler habe ich verzichtet. Zumindest habe ich das versucht. Einzelne, ganz leichte Spoiler ließen sich nicht vermeiden. Diese dürften aber keinem Spieler den Spielspaß verderben.

Im ersten Teil meiner Rezension geht es um den Inhalt, um die Abenteuerhandlung. Ich kann jetzt schon sagen, dass mir einzelne Teile richtig gut gefallen habe – andere hingegen nicht so. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem grundsätzlichen Aufbau des Abenteuers und meiner Schlussbemerkung.

INHALT

An fremden Gestaden“ ist in drei Kapitel unterteilt, die ich im folgenden separat betrachten möchte.

Kapitel 1

Ein klassischer Einstieg ins Abenteuer: Ein Brief, ein Auftraggeber, ein Treffen, ein Auftrag. Los geht’s. Das erste Kapitel dreht sich um die Planung und Ausrüstung der Expedition, mit der der Südkontinent Urhuria erforscht werden soll. Nett dabei ist: Es gibt potenziell mehrere Auftraggeber, unter denen die Helden einen auswählen können (allerdings wird im Abenteuer ein bestimmter Auftraggeber klar präferiert).

Ist der Auftrag angenommen, wird die Überfahrt geplant. Informationen über den Südkontinent und die mögliche Route dorthin müssen gesammelt werden. Vor allem aber muss die Expedition ausgerüstet werden. Mit einer Summe x kaufen die Helden die Schiffe, heuern die Besatzung an und tragen die Ausrüstung zusammen. Im Abenteuer gibt es dafür zahlreiche Listen und Tabellen, Abschnitte über Verschleiß und Verbrauch der Ausrüstung und über die Qualität und Loyalität der Mannschaft. Freunde des Mikromanagements werden ihren Spaß haben. Andere nicht so.

Am Ende des Kapitels erhalten die Helden 100 Abenteuerpunkte – was ich nur erwähne, weil es deutlich macht, dass es in diesem Abschnitt wenig Abenteuer zu bestehen gilt.

Kapitel 2

Das ändert sich mit dem zweiten Kapitel. Die große Fahrt beginnt. Es folgen: Abenteuer über Abenteuer. Spannend, abwechslungsreich, interessant. Dieses Kapitel – das sei schon verraten – ist der mit Abstand beste Teil von „An fremden Gestaden“.

Vor der großen Überfahrt stehen ein paar kurze Abenteuerepisoden, die zur Einführung von NSCs dienen und Informationen über die beste Reiseroute vermitteln. Die Route nach Uthuria kann jedoch grundsätzlich völlig frei gewählt werden. Was mir sehr gut gefällt.

Auf dem Weg nach Süden stößt die Expedition – je nach Route – auf zahlreiche bewohnte und unbewohnte Insel. Diese werden relativ ausführlich beschrieben, zu jeder Insel gibt es zudem mehrere Szenariovorschläge. Diese kleinen Abenteuer sind alle optional, lassen aber das Gefühl aufkommen, dass sich die Heldengruppe tatsächlich auf einer Entdeckungsreise in abgelegene oder völlig unbekannte, fremdartige und gefährliche Regionen befindet.

Abgerundet wird das Kapitel durch ein paar allgemeine Hinweise zum Leben an Bord eines Schiffes und einige Tabellen für Zufallsbegegnungen. Beides ist sinnvoll und nützlich.

Erwähnte ich schon, dass mir das zweite Kapitel richtig gut gefällt?

Ja? Dann kommt jetzt die Ernüchterung.

Kapitel 3

Nach langer und gefährlicher Überfahrt erreicht die Heldengruppe das sagenumwobenen Uthuria – ein unerforschter Kontinent mit einer exotischen Tier- und Pflanzenwelt, bewohnt von fremden Kulturen und Rassen. Inmitten dieser potenziell feindlichen Umgebung wird ein Lager errichtet, ein aventurisches Dorf in einer fremden Welt.

Was sind wohl die größten Abenteuer, die auf die Helden warten? Die Erkundung dieses unerforschten Landstriches? Die Errichtung eines überlebensfähigen Lagers?

Nix da. Die Errichtung des Lagers wird in „An fremden Gestaden“ in ein paar läppischen Sätzen abgehandelt. Die enorme Aufgabe, ein solches Lager aufzubauen und dauerhaft aufrechterhalten, wird im Abenteuerband nicht thematisiert. Warum eigentlich wird in Kapitel 1 so viel Wert auf die Ausrüstung der Expedition gelegt, wenn die Details in Kapitel 3 keine Rolle mehr spielen?

Allein die Nahrungsversorgung des Lagers ist doch ein Abenteuer für sich. Haben die Helden bei der Ausrüstung der Expedition nicht ausreichend vorgesorgt, gilt es nun unter Zeitdruck die Versorgung des Lagers zu sichern. Dann ist man vielleicht auf die Kooperation der Eingeborenenstämme angewiesen. Oder man „requiriert“ Nahrungsmittel mit Feuer und Schwert. Oder für den Nahrungsanbau muss in aller Eile der Urwald gerodet werden – und dabei werden unangenehme Dinge entdeckt oder geweckt. Oder der Fischfang wird durch grässliche Ungeheuer im Meer behindert, die erst mal vertrieben werden müssen. Oderoderoder…

Die Anknüpfungspunkte für Abenteuer sind zahlreich. Aber in „An fremden Gestaden“ fehlen sie; der Spielleiter wird alleingelassen.

Die Erforschung Uthurias

Immerhin ist die Erkundung des unerforschten Landstriches etwas besser ausgearbeitet. Es gibt recht ausführliche Beschreibungen der Einwohner, ein paar Regeln für das Beziehungsmanagement zu den Einwohnern, Regeln für das Reisen durch Dschungel und Gebirge, eine kleine Tabelle mit Zufallsbegegnungen und ein paar Abenteueransätze, die in Zusammenhang mit der Erkundung stehen. Insgesamt ist dieser Abschnitt aber viel zu allgemein und oberflächlich.

Möchte der Spielleiter aus der Erforschung der Umgebung des Lagers ein echtes Abenteuer machen, muss er enorm viel Arbeit in die Ausarbeitung stecken. „An fremde Gestaden“ liefert dafür nur den allgemeinen Hintergrund: Beschreibungen, Regeln, Hinweise. Doch ein Erkundungsabenteuer ist das dritte Kapitel nicht.

Dabei geht es bei der Expedition nach Uthuria genau darum. Es geht um Erkundung, um die Suche nach Reichtümern – vor allem nach wertvollen Handelsgütern und Artefakten. Das hätte der Aufhänger für viele Abenteuer sein können. (Ureinwohner: „Klar. Gerne weihen wir euch in die Geheimnisse des Anbaus dieser seltenen und wertvollen Pflanze ein. Aber vorher müsst ihr uns die Stoßzähne eines großen geflügelten Tigerkrokodils bringen.“)

Die Handlung geht am Thema vorbei

Das dritte Kapitel von „An Fremden Gestaden“ beinhaltet zwar mehrere detailliert ausgearbeitete Abenteuer. Der Aufhänger dieser Abenteuer ist aber (mit wenigen Ausnahmen) nicht das Erforschen dieser unbekannten Region, sondern der Kampf gegen feindliche und machtvolle Wesen. Diese Abenteuer sind durchaus interessant. Aber ich frage mich, warum diesen Handlungslinien so viel Raum eingeräumt wird, während das eigentliche Abenteuer – die Erforschung der unbekannten Welt – zu einem Randthema verkommt.

Die Heldengruppe erkundet natürlich im Rahmen der Kampf-gegen-die-böse-Wesen-Handlungen zwangsläufig unbekannte Regionen. Doch warum werden die Spieler in diese Handlungslinie gedrückt, wenn sich doch aus dem Setting und der Ausgangsposition des Abenteuers von ganz alleine eine spannenden Handlung ergibt?

Irgendwie enttäuschend.

Hier geht es zum zweiten Teil der Rezension. Ich bitte darum, eventuelle Kommentare zu diesem Bericht dort zu schreiben. Danke.