Weithin bekannt und akzeptiert ist die Existenz zweier offizieller aventurischer Spielwelten. Das eine ist das Aventurien der Klappen- und Werbetexte. Dieses Aventurien ist ein Land der Heldentaten. Es ist eine Welt voller spannender Abenteuer, tödlicher Gefahren und epischer Momente.
Und das andere ist das Aventurien des Aventurischen Boten.
Dieses Aventurien ist ein Land der Bürokratie und Fachsimpelei, ein Land von Klatsch und Tratsch und profanem Alltag und gelegentlichen Geschichten, die eine Ahnung von Spannung erzeugen. Ein Land der Abenteuer ist es eher nicht.
Das ist nicht schlimm. Aus Marketingsicht ist es sogar ganz wunderbar, für jeden Spielstil eine passende Spielwelt-Variante im Angebot zu haben. Ein Aventurien zum Beispiel, in dem sich auch die Hobby-Ethnologin austoben kann, in der der Yellow-Press-Leser voll auf seine Kosten kommt und in der ein Freizeit-Verwaltungswirt Spaß im Spiel hat.
Damals, als alles besser war
Als verknöcherter DSA-Nostalgiker jedoch betrübt mich dieser aventurische Variantenreichtum zutiefst. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der sich Werbewelt und Botenwelt im Einklang bewegten. Eine Zeit, in der auch im Aventurischen Boten Geschichten von Heldentaten, Gefahren und epischen Momenten zu lesen waren.
Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass mich meine Erinnerung trügt. Kann sein, dass auch früher schon Aventurien ganz fürchterlich bürokratisch-hotzenplotzig-kleinklein-krämerisch war. Aber wenn ich heute den Aventurischen Boten aufschlage, machen mich die Texte meist ratlos.
Diese Ratlosigkeit ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich meiner Überzeugung nach ein guter Boten-Artikel vor allem dadurch auszeichnet, über Uriel von Notmark, Waldemar der Bär, Tar Honak oder Kaiser Hal zu berichten. (Womit wir wieder beim verknöcherten DSA-Nostalgiker wären.)
Was zeichnet das lebendige Aventurien aus?
Zu einem weiteren und nicht unerheblichen Teil erklärt sich meine Ratlosigkeit aber damit, dass sich mir beim Lesen die Frage stellt, wen das eigentlich noch interessiert oder interessieren soll. Und welches Bild einer lebendigen Spielwelt dort transportiert wird. Ich zumindest verstehe viele Texte und ihre Intention schlicht nicht.
- So wie den der Bericht über die Beerdigung einer gewissen Ardariel, die beim Kampf um den Aarenstein gefallen ist. Wobei nicht klar wird, was es mit diesem Aarenstein auf sich hat und wer überhaupt Ardariel ist.
- Oder diese regelmäßig erscheinenden weitschweifenden Texte über pseudo-wissenschaftliche oder magie- und kirchenrechtliche Dispute. Wie der Bericht über den abgesetzten Leiter einer Magierakademie, der sich auf uralte Gesetze beruft und wieder als Leiter der Magierakademie eingesetzt wird. Oder der Bericht über die al’anfanische Delegation in Punin, die sich dort mit mittelreichischen Vertretern unterhält, in dem aber nicht ganz deutlich wird, wer die Gesprächspartner sind und worum es geht.
- Oder Texte, in denen einfach nur der ohnehin schon üppige aventurische Hintergrund noch ein wenig weiter ausgeschmückt wird. Wie der langatmige Überblick über Landwirtschaft, Fischerei und Handwerkskunst hier und da in Aventurien.
- Oder diese Texte, die so sehr in einem inneraventurischen Stil geschrieben sind, dass überhaupt nicht klar wird, was passiert ist oder ob überhaupt irgendwas passiert ist. So wie der in Form einer al’anfanischen Proklamation geschriebene Bericht über den Streit um die Herrschaft des Kemi-Reiches.
Und bevor jemand moppert, weil das ja nur Einzelfälle sind, und es auch tolle Texte im Boten gibt, und überhaupt früher gar nicht alles besser war, und sowieso und überhaupt…
Jau, das sind nur Beispiele. Aber es sind alles Beispiele aus den jüngsten Aventurischen Boten. Es sind auch keine Texte, die irgendwo im Innenteil erschienen sind. Es sind alles Titelgeschichten. Und die Reihe der Beispiele ließe sich lange fortsetzen. Verständlichen und interessanten Texte, Texte die Lust auf spannende Abenteuer, tödliche Gefahren und epische Momente machen, sind die Ausnahme.
Selbst ist der Abenteurer
Und da das alles so schrecklich unverständlich ist mit den Aventurischen Boten, schreibe ich ab jetzt meine Boten-Texte einfach selbst. Das macht Aventurien nicht spannender und interessanter, und schon gar nicht abenteuerlicher. Aber meine eigenen Texte verstehe ich wenigstens.
11 Gedanken zu “Als der Aventurische Bote unverständlich wurde”
Ich teile diese Sicht völlig. Mir ist auch unklar, an wen sich das Ding richtet. An mich jedenfalls nicht.
Hm. Ja wieder mal kann ich mit dem Gestus des Früher war alles besser wenig anfangen. Ich hab mal einen sehr alten Boten danebengehalten und in diesem Einzelfall war früher der Bote auch schon sehr Bodenständig. Am meisten konnte ich was Anfangen mit dem Satz: „Diese Ratlosigkeit ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass sich meiner Überzeugung nach ein guter Boten-Artikel vor allem dadurch auszeichnet, über Uriel von Notmark, Waldemar der Bär, Tar Honak oder Kaiser Hal zu berichten.“ Ich finde das ist sehr ehrlich und mir geht das ähnlich. Früher war ich sehr in die inneraventurische Geschichte investiert. Mich hat deshalb Interessiert wenn etwas mit den Charakteren passiert ist, auch wenn es nicht so großes, episches war. Heute ist das bei mir – wie offenbar bei dir auch – nicht mehr so. Und wenn das so ist. Also wenn ich die aktuellen Charaktere gar nicht mehr so richtig Verfolge und spannend finde und die Geschichte um den Sternenfall usw. – die ganze aktuelle Entwicklung in Aventurien – mich eigentlich nicht wirklich Interessiert, dann ist es auch kein Wunder, dass ich mit dem Boten wenig anfangen kann. Also ich weiß nicht ob du was anfangen kannst damit das so auf die Charaktere zu konzentrieren, aber mein Gefühl ist auch allgemein, dass ich dann eine Geschichte gut finde, wenn mich die Personen darin ansprechen und ich etwas fühle. Das ist nicht mehr so. Aber was ist die Uhrsache für dieses Desinteresse? Mir scheint da ein früher war halt alles besser und heute ist alles bürokratisch, popelig und langweilig eher am Ziel vorbei zu schießen. Irgendwie ist mir diese ständig wiederholte Leier auch zu langweilig, bürokratisch und popelig. Zur Zeit der Briefspiele waren z.B. reihenweise langweilige (Fan-)Artikel zu irgendwelchen Erbsachen, Lehenvergaben usw. im Boten und trotzdem hab ich ihn gern gelesen. Also versuchen wir mal unseren Kopf einzusetzen:
– Bei mir ist ein wesentlicher Faktor, dass ich irgendwann ausgestiegen bin. Ich verfolge die aktuelle Geschichte nicht genug und lerne die aktuellen Charaktere nicht genug kennen um wirklich investiert zu sein in ihr Schicksal. Meine Runde spielt immer noch wöchentlich die G7 und das wird noch Jahre so weitergehen. Ich mag das Aventurien von damals. Es ist mit mehr Kindheitserinnerungen gespickt und ich muss mich weniger Umgewöhnen.
– Viele wichtige Charaktere sind über den Jordan gegangen. Aber ich glaube – ich kann es nicht richtig beurteilen, weil ich mich dafür zu wenig mit dem aktuellen Stuff beschäftige – es wurde zu wenig dafür getan einige neue Leuchturmcharaktere zu pflegen und lebendig werden zu lassen, so dass sie uns wirklich ans Herz wachsen.
– Wichtige Autoren, die sehr gut darin waren sehr sehr starke Charaktere zu schaffen die sehr lebendig waren und in Aventurien immer wieder aufgetaucht sind wurden von Ulisses weggeekelt und z.T. ihre Charaktere bewusst entsorgt, z.T. gab es aufgrund des unfreundlichen Umgangs Rechtsstreitigkeiten, so dass Personal ausgewechselt werden musste. Neue Autoren schreiben z.T. auch sehr gut, aber sie haben oft gar nicht mehr so die zentrale Stellung ihre Charaktere so stark zu setzen. Und wichtige Charaktere wie – weiß nicht genau – Rohaja, bekommen vielleicht einfach zu wenig Showtime und zu wenig Lebendigkeit als dass sie mir so ans Herz wachsen wie Waldemar oder sie so sehr zum Gegner werden wie Answin.
– Insgesamt scheint mir Aventurien größer und Flacher geworden zu sein. Es gibt viel mehr Schauplätze und ausgearbeitete Personen mit eigenen Geschichten, die aber weniger herausstechen und mich weniger berühren.
– Zuletzt ist vielleicht auch einfach ein Teil die Position von der wir kommen. Diese magische Entdeckung von einer Unbekannten Welt, die man noch nicht richtig versteht, die aber spannend ist und in die man sich dann richtig Reinnerded und sie lieben lernt. Das hatte ich vor 25 Jahren. Ich bin vielleicht auch gar nicht mehr so offen dafür. Wenn mir früher ein Artikel im Boten komisch bürokratisch war, dann dachte ich: Wierd, aber irgendwie toll dass sich damit jemand beschäftigt. Heute lese ich ihn einfach nicht mehr weiter. Ich fände deshalb spannender als (auch irgendwie das immer gleiche) gemecker von alten, konservativen (im Sinne von ich will das alles wieder so ist wie in der Zeit wo ich mich noch zurecht gefunden hab) Männern zu hören zu dem Thema zu entdecken wie junge Leute heute in Aventurien eintauchen und ob die Welt und die Geschichten des lebendigen Aventuriens sie noch genauso begeistert wie früher mich, oder ob etwas tatsächlich ganz anders ist.
Also Danke für den Artikel ich hoffe du nimmst mir meine Spitzen gegen unsere Generation nicht Böse. Aber ich finde wir sind zu mehr Selbstreflektion fähig 😉
Ich bin erst mit DSA5 eingestiegen und bin daher einer dieser „jungen“ Leute. Ich denke nicht, dass heute neue Spieler in die Welt so gut eintauchen können wie die Spieler der ersten Stunde damals. Die Spielwelt ist einfach deutlich weniger abenteuerlich wie das (wenige), was ich von den alten DSA-Sachen kenne. Das stört mich persönlich auch sehr.
Ich denke, dass das auch das Problem des Boten ist: er kann ja nur über Dinge berichten, die in Aventurien auch tatsächlich passieren.
Gut finde ich hingegen, dass die Redaktion mittlerweile diese Symbole eingefügt hat, die anzeigen, was als Abenteueraufhänger und was z.B. nur als Briefspielbericht gedacht ist.
Danke für deinen Eindruck @Balduin.
Ich teile teilweise Deine Einwände, habe sie ja auch schon in meinem Text selbt angeschnitten. Natürlich ist viel Verklärung, Subjektivtität etc. dabei. Früher stand auch – nunja – Schrott im Boten. Aber abseits dieser Einschränkungen: Inhaltlich ist gerade das, was der Bote mir seit einigen Jahren prominent (auf der Titelseite) präsentiert, schlicht nicht gut. Es passt halt nicht.
Wenn ich das Bild, das der AB da von Aventuriern zeichnet, zusammenfasse, hat das eben nichts mit dem Bild zu tun, das auf den Klappentexten steht (Land der Abenteuer und Helden etc.). Und das war mal anders.
Ja. Ich hab auch stärker dagegen geschrieben, als ich es dann ja in Wirklichkeit ausführe. Andererseits finde ich gut noch genauer zu ergründen was uns da weniger Anspricht. Weil mehr Abenteuerliche Geschichten und mehr Heldentaten sind es bei mir definitiv nicht. Ich fand Artikel die z.B. Handlungen von Abenteuergruppen in manchmal durchaus epischen Abenteuern nacherzählen im Boten z.B. meistens eher langweilig. Spannend fand ich über verschiedene Boten reichende Dinge oft auch ein wenig verklausuliert mitzuverfolgen die mich Interessieren, weil mich die Geschichte dahinter gepackt hat.
Ich lese den Boten ja schon länger nicht mehr – wer schreibt denn inzwischen die meisten Beiträge? Sind das Redakteure und „größere“ (Abenteuer)Autoren, oder „übriggebliebene“ Briefspieler von annodazumal, oder Hobby-Autoren, die gerne was offizielles machen wollen, und als Einstiegshürde „schreib erst mal einen Botenartikel!“ bekommen?
Früher gab es ja ein Autorenverzeichnis, wimre, ist das heute auch noch so?
Die Auswahl der Autor*innen ist keineswegs ein Hürdenlauf. Natürlich gibt es noch die Redaktion, aber wenn man Foren und Social-Media-Gruppen verfolgt, dann wird klar, dass Ulisses geradezu dankbar ist, für jede Person, die einen Botenartikel einschickt. Mit Blick ins Impressum bestätigt sich, dass es tatsächlich verstärkt „Hobby-Autoren“ sind, wie du sagst. Das spiegelt sich auch in der Qualität und dem Unterhaltungsfaktor wider.
Arkanil hat da einige richtige Beobachtungen gemacht, die nichts mit Verklärung oder Nostalgie zu tun haben: Die inhaltliche Produktqualität und die Schreibkompetenz bei DSA ist insgesamt über die Jahre gesunken, das ist kategorisierbar und messbar. Damit meine ich ausdrücklich nicht die gelungene Optik und das regelseitige Gameplay, sondern das tatsächliche Schreibhandwerk, das sich – von einigen Ausnahmen abgesehen – deutlich auf Fanfiction-Niveau einpendelt. (Und das soll jetzt bitte kein Shoot gegen Fanfiction sein…)
Der AB sollte nur noch quartalsweise erscheinen und tatsächliche abenteuerliche Infos enthalten und nicht diesen Yellow-Press-Blödsinn. Dadurch werden uninteressante NSCs auch nicht toller. Es ist ja auch so: Kaum jemand in der DSA-Bubble würde freiwillig irdische Promi-Magazine, Revolverblätter und Co. für B-Promis lesen; Umfragen zeigen ja, dass die gewöhnlichen DSA-Fans akademischen Hintergrund haben. Wieso sollten sich Leute, die schon im real life kein Interesse an Gossip haben, plötzlich ebenselben für Aventurien abfeiern?
Das meine ich aber damit dass die eigene Erinnerung die Vergangenheit verklärt. Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen früher hätten wäre der Anteil an bezahlen Redakteur_innen bei den Botenartikeln höher gewesen als heute. Im Gegenteil wäre meine These sind doch viele Redakteur_innen früher zu DSA gekommen in den sie erstmal aus Fans gute Artikel geschrieben haben. Wenn also das der Unterschied ist, dann würde es ja v.a. darauf schließen dass die Community heute schlechter schreibt als früher. Das glaub ich aber nicht unbedingt so richtig. Was ich mir vorstellen könnte ist, dass die Redaktion früher besser darin war die Community in die eigene Geschichtenentwicklung und Weltwerdung eng einzubinden und deshalb mehr Leute in der Lage waren oder motiviert waren guten content für Adventurien in ihrer Freizeit zu schreiben.