Ist Myranor eine bodenständige Spielwelt? Bodenständiger als Aventurien? Am vergangenen Sonntag war ich Gast beim Google-Hangout des Durchgeblättert-Teams (das Video des Hangouts ist unten eingefügt). Schwerpunkt des knapp zweistündigen Gespräches war Splittermond, das neue Rollenspiel des Uhrwerk-Verlages. Neben Splittermond haben wir aber auch über Myranor geredet und über die fantastische Regionalbeschreibung Unter dem Sternenpfeiler. Dabei kam genau diese Frage auf: Ist Myranor eine bodenständigere Spielwelt als Aventurien?
Die Frage ist unbeantwortet geblieben. Zu behaupten, dass mir das schlaflose Nächte bereitete, wäre vielleicht etwas übertrieben. Dennoch spukt diese Frage weiter in meinem Kopf herum. Leider ist mein Wissen über Myranor (noch) nicht umfangreich genug für eine abschließende Antwort. Vielleicht aber können mir einige passionierte Myranor-Spieler weiterhelfen.
Nach einigem Nachdenken bin ich der Antwort zumindest einen kleinen Schritt näher gekommen. Mein jetziger, etwas unbefriedigender Stand der Dinge: Es kommt drauf an. Myranor ist bodenständig und abgehoben zugleich.
Wenn ein Flugschiff an einem Turm andockt, dessen Spitze in den Wolken verschwindet, wenn Chimärenwesen jeder Form, Größe und Absonderlichkeit durch die Wälder streifen, wenn magotechnische Putzroboter durch Gebäude hasten… dann ist in Myranor jede Bodenständigkeit weit entfernt. Doch obwohl all diese abgedrehten Fantasyelemente vorhanden sind – sie scheinen nicht typisch für diese Spielwelt zu sein. Es sind eher die gelegentlich herausstechenden Besonderheiten in einer ansonsten bodenständigen Welt, in der das Magische weit weniger verbreitet ist als im Alltag eines Aventuriers.
In Aventurien, so mein Eindruck, sind das Magische und das Karmale alltäglicher. Die Schelme, Hexen, Magiedilettanten und vor allem die Magier mit ihren Akademien und die Geweihten mit ihren Tempeln sind überall. Ihr Wirken ist nicht immer spektakulär, dafür aber weit verbreitet. In Myranor erscheint es mir genau umgekehrt: Das magische Wirken ist häufig bombastisch, beschränkt sich aber auf einzelne Orte und Zeiten.
Die im Vergleich zu Aventurien deutlich größere Spielwelt ermöglicht zudem, dass die gelegentliche Bombastik nicht alle anderen Eindrücke überstrahlt. Myranor bietet genug Raum für ein grundsolides und bodenständiges Setting, ebenso wie für abgedrehte Fantasyelemente und allerlei Kuriositäten. Nach meinem momentan Einblick in diese Spielwelt lässt sich sagen: Beide Ansätze – das Bodenständige und das Abgehobene – sind möglich und lassen sich sogar ungestört nebeneinander umsetzen.
15 Gedanken zu “Myranor – Bodenständig oder nicht?”
Genau das ist auch mein Eindruck.
Aber wir haben ja schon festgestellt, ich bin fast genau auf dem gleichen Stand wie Du. Deshalb bin ich gespannt auf Kommentare von wirklichen Myranor-Kennern.
Interessant dabei ist auch dieser Kommentar bei uns im Blog von Aikar.
http://durchgeblaettert.blogspot.de/2013/03/der-mehr-oder-weniger-uhrwerk-hangout.html?showComment=1362990571527#c8776297036937594557
Ah, interessanter Kommentar. Vielen Dank für den Link
And the Hype goes on… ^^
Haben wir dir also schlaflose Nächte bereitet? Sehr gut 🙂
Also, ich kenne und spiele Myranor seit der Box. Lange bestand Myranor nur aus dem Süden, und es ist für mich genau das, was euch daran offenbar nicht gefällt: Dschungel, Katzenwesen, Luftschiffe. Eine Mischung aus Südostasien und antikem Imperium. Magie als Machtinstrument der Herrschenden. Dekadenz, Verfall – gleichzeitig das Paradies, in dem man gerne Urlaub machen würde, zumindest Gedanken und Träume schweifen lassen kann, ohne die Einschränkungen von Überbeschriebenheit oder starren Settingregeln. Für diese Dinge liebe ich Myranor. Heißt der hohe Grad an Exotik, dass es weniger bodenständig ist? Nein. Auch in den Metropolen – sowohl in der Armut als auch in den Herrscherkreisen findet Alltagsleben statt, das sich prima als Hintergrund eignet. Ich empfehle den Roman Den Göttern versprochen für eine lebhafte, gleichzeitig phantastische Beschreibung von Balan Cantara oder das Abenteuer Tod in Valantia für ebensolches zu Sidor Valantis. Ja, sogar Amaunir oder Satyare sind so gut beschrieben, dass ich Lust habe, deren Alltagsleben zu entdecken. Und, wie in Myranor gibt es in Aventurien Abgehobenes (Drachenchronik) neben Alltag (Krieger, Krämer und Kultisten). Myranor hatte die DSA4-Charaktererschaffung mit den vielen bodenständigen Professionen sogar zuerst, und ich fand sie sehr inspirierend. Nun ja, hier habt ihr meine Einschätzung. Myranor ist flexibel genug, damit sich jeder sein Spielgefühl konstruieren kann. Aventurien eigentlich auch. Der Unterschied liegt m.E. nicht in der Bodenständigkeit, sondern in der Exotik. Ein schönes Beispiel aus Aventurien sind auch die Magierakademien-Bände: Alltagsleben vor magischer Kulisse.
Ich habe Lust auf Myranor!
Es kommt nur darauf an wie exotisch der Meister es haben will. Natürlich kann man die Spieler mit Exotischem, Übertriebenem, Abgefahrenem überraschen und überhäufen. Man kann es aber auch mit Maßen einsetzen und ein schönes Setting kreieren.
Und wenn ihr denkt fliegende Städte stören in Myranor, dann fragt mal bei einem gewissen Galotta nach! Und wenn es zu viel ist werden die Helden nie eine zu Gesicht bekommen, Myranor ist ja so groß!
Myranor ist meiner Ansicht nach nicht abgefahrener als jedes andere Setting, man kann es aber überall übertreiben!
Ich schließe mich der Feststellung an, dass Myranor für alle Spielarten und Vorlieben reichlich Raum bietet. Wenn man aber in einer Metropole spielt, kommt man um diverse abgefahrene Elemente nicht herum (Holo-Theater, magische Pylone die Kraftlinien zu Magofakturen umleiten, fliegende Märkte etc…
Natürlich kann man vor diesem Hintergrund ganz „bodenständige“ Plots ablaufen lassen. Magie ist teuer und für Otto-Normal-Held nur eine seltene Faszination. Wenn man es schafft, diese abgefahrenen Spitzen als Alltäglichkeit zu betrachten und einfach so tut, als wäre es ein bodenständiger Hintergrund, ist man dem häufig erwähnten „myranischen Flair“ wahrscheinlich schon recht nahe. Immerhin ist das Imperium tausende von Jahren alt und die Dinge laufen schon ein Weilchen so wie sie es tun.
Dem muss ich mal (höflich) wiedersprechen.
Die fliegenden Märkte der Vinshina laufen bei weitem nicht jeden Ort an und auch nicht regelmäßig.
Magofakturen und Holo-Theater gibt es, wie ich selber geschrieben habe, zwar, aber es ist bei weitem keine Notwendigkeit. Man kann sie verwenden um ein gewissen Gefühl zu erzeugen, muss es aber nicht.
Was man sich immer vor Augen halten muss: Myranor ist groß. Verdammt groß. Und es liegen teilweise sehr große Distanzen zwischen den bewohnten Gebieten. Wer also eine eher rückständische Stadt ohne den magotechnsichen Schnikschnack will, hat sicher kein Problem damit.
Und selbst in den zentralen Metropolen, wo so etwas existiert, gibt es genug Slums und Armengebiete, wo sie von magischer Straßenbeleuchtung nur träumen können.
Du kannst doch nicht jede Frage oder jedes „Problem“ (das ist ja Ansichtssache) in Myranor mit der Replik erledigen, dass Myranor nun mal groß sei und damit ja alles irgendwo in einer Ausprägung existiere.
Viel wichtiger ist doch: welcher Grad und welcher Ton wird in den Publikationen vornehmlich angeschlagen? Ich kenne die Werke nur aus Rezensionen und die Titelbilder.
Die Titelbilder sind bis auf eine Ausnahme: Heldengruppe kloppt auf großes, wirklich großes Viech ein. Das ist für mich bereits: abgehoben.
Wenn ich an die beiden Zombie-Bände denke: die haben den Rezensenten gefallen, mit der Einschränkung, dass man wohl auf Übertreibung stehen müsse. Also auch wieder die Tendenz zu: abgehoben.
Zu den Publikationen: Die sind teils sehr unterschiedlich. Und so viele gibt es gar nicht. Myranor als Spielwelt existiert seit – wie lange? – 10 Jahren? Pro Jahr gab es (lange Zeit) vielleicht nur zwei Produkte – von insgesamt drei unterschiedlichen Verlagen. Was ich damit sagen will: Anhand der Publikationen lässt sich eine Ausprägung nur schwer einschätzen.
Doch, kann ich 😉
Myranor ist im Gegensatz zu Aventurien nicht so stark durch die offiziellen Publikationen getrieben (Abenteuerbände gibts insgesamt nichtmal 20) und es gibt sehr viele weiße Flecken. Es liegt stark am Spielleiter wo und wie er seine Kampagne aufzieht.
Myranor (Genauer Nord-Ost-Myranor, also der Bereich der bis jetzt bekannt ist), ist 6x so groß wie Aventurien und es gibt bei weitem nicht zu jedem Bereich Publikationen.
Du schließt doch auch nicht von einem Abenteuer aus dem Orkland auf die magische, technologische und kulturelle Entwicklung des Horasreichs, oder?
Und du definierst auch die Abgehobenheit von Aventurien nicht nur anhand von Abenteuern wie Schlacht in den Wolken oder Märchenwalder, Zauberflüsse.
Und ebenso kannst du den Zentralbereich der Thearchenstadt oder von Balan Cantara nicht mit einer Hjaldingschen Siedlung vergleichen. Oder mit den unterworfenen Städten am Rand des Gebiets der Ban Bargui. Oder den Wüstenstädten in der Nakramar.
Ja, das Zombie-Abenteuer ist ziemlich abgehoben. Aber es ist EIN Abenteuer in EINEM Winkel EINER Insel.
Und im Gegensatz zu Aventurien kann eben in Myranor auch noch dazukommen, dass die Charaktere wochen- oder monatelang keine zivilisierte Stadt sehen.
Diese Reise wiederum kann durch monsterverseuchte Dschungel führen, aber auch eine Raddampferfahrt mit seltsamen Mordfällen sein.
Ich kann Conan-Low-Fantasy in den nördlichen Hjaldinger-Gebieten spielen oder Magotech-Steampunk in einer Domäne der Quoran. Oder Piraten im Archipel von Shindrabar oder eine Detektivgeschichte in den Slums von Balan Cantara.
Einen „allgemeinen Grundton“ wie er dir hier vorschwebt gibt es (Gottseidank) nicht. Gerade das ist ja das Faszinierende an Myranor. Grenzenloses Potential.
Und im Gegensatz zu vielen anderen Settings (Schiel auf Pathfinder) wirkt es dabei nicht wie ein Flickwerk.
Achja und bevor einer schreit: Ja, ich kann die meisten genannten Sachen auch in Aventurien spielen. Aber man ist halt räumlich dann meistens ziemlich eingeschränkt auf Gebiete von ein paar Tagesritten Durchmesser.
OK, die Zombies haben inzwischen zwei Abenteuer, geb ich zu 🙂
Die sind aber auch ein gutes Beispiel. Allein die Insel Era’sumu kann Zombie-Apokalypse sein, aber auch bodenständig wie in „Der Hain von Aramisium“ aus „Verwunschene Seelen“ (eine märchenhafte, kleine Detektivgeschichte mit Satyaren). Wobei ich hierbei sogar das bodenständigere Aramisium exotischer finde als Knochenblei und schwarzes Blut. Untote gibt’s schließlich überall.
Erstmal vielen Dank für all diese Hinweise. Es bestätigt sich grob meine Einschätzung, dass sich Myranor nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt. Myranor kann total exotisch, magisch und abgehoben sein – oder auch total bodenständig. 🙂
Ich bin mal frech und sage, dass Aventurien noch viel bodenständiger als Myranor sein kann 🙂
Hab zwar noch nie gezockt (leider) aber nach ein paar Jahren Distanz ist mir Myranor mal wieder in die Hände gefallen und hatte vielleicht aufgrund der DDZ Box eine wohlwollendere Chance.
Der Kontinent war und ist ja allein aufgrund seiner Grösse frei für alles und nix. Ich finde aber der erster Eindruck (alles Magie, alles Abstrus und Viecher) täuscht schnell.
Ebenso gibt es sehr schöne einfache menschliche Konzepte.
Antike wirkt für mich sehr Richtung Conan und Co bzw halt Antik und Archaisch. Die asiatischen Aspekte gefallen mir sehr gut da sie mal den Mut haben etwas vom typischen westlichen von der Romantik beeinflussten Fantasysetting wegzugehen. Kann aber verstehen, dass sowas für viele ein wenig sperrig ist.
Tierwesen sind denke ich auch eine Abwechslung von Zwergen und Elfen aber halt auch gewöhnungsbdürftig.
Katzen gehen aufgrund von WingCommander bei mir aber gut. 🙂