Früher war zwar nicht alles besser, aber manches war anders. DSA-Abenteuer zum Beispiel. Aktuelle Abenteuerbände unterscheiden sich deutlich von ihren Vorgängern aus den 80er oder 90er Jahren: Die Themen der Abenteuer sind anders, die Handlung ist anders, der Handlungsaufbau ist anders. Der augenfälligste Unterschied zwischen einem aktuellen und einen 20 Jahre alten Abenteuer aber ist das Layout.
Kürzlich fiel mir eines dieser alten DSA-Abenteuer in die Hände: Über den Greifenpass. Respektable 16 Jahre ist dieser Band schon alt. Das Erste, was mir beim Durchblättern ins Auge stach, waren die schwarzen Balken links von den Texten. Die Älteren werden sich erinnern: Schwarze Balken kennzeichneten damals die Meisterinformation. Das war ein einfaches aber wirksames Instrument zur Strukturierung des Textes, das irgendwann im Laufe der DSA-Geschichte verloren ging. Warum eigentlich?
Die alten DSA-Abenteuer sind nicht besser als die aktuellen; eher das Gegenteil. Nostalgische Verklärung lässt die Abenteuer aus der DSA-Frühzeit meist in mildem Lichte glänzen. Unter heutigen Bewertungsmaßstäben könnten nur wenige frühe Abenteuer bestehen. Doch die Strukturierung der damaligen Bände hat gegenüber den heutigen Publikationen manche Vorteile.
Drei Kategorien – Ein Text
Nahezu der gesamte Text war in den alten Abenteuerbänden in drei Kategorien unterteilt: Allgemeine Informationen, Spezielle Informationen und Meisterinformationen, die durch eben diese schwarzen Balken gekennzeichnet waren. Die Unterschiede zwischen diesen Kategorien werden in Über dem Greifenpass erläutert.
Allgemeine Informationen: Sie beinhalten vor allem Beschreibungen von Situationen, Personen und Örtlichkeiten und können der Spielgruppe normalerweise direkt vorgelesen werden.
Spezielle Informationen: Unter dieser Rubrik finden sich all jene Informationen, die den Spielern spätestens auf den zweiten Blick bzw. bei genauerer Nachfrage zugänglich gemacht werden sollten.
Meisterinformationen: Hier finden Sie alle Hintergrundinformationen, die zunächst ausschließlich für den Spielleiter bestimmt sind und die den Spielern normalerweise erst dann zugänglich gemacht werden, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllt haben.
Großartig, oder?
Ich zumindest finde diese Kategorien großartig. Die Autoren waren dadurch gezwungen, das Abenteuer aus der Sicht der Heldengruppe zu schreiben. Was sehen die Helden auf dem ersten Blick? Was auf dem zweiten? Was erst, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen? Entsprechend wurde der Text strukturiert, was eine enorme Hilfe für den Spielleiter bedeutete.
Aktuelle Abenteuer werden meist ausschließlich aus der Sicht des Spielleiters geschrieben und verzichten häufig auf eine Strukturierung des Textes, die für den Einsatz am Spieltisch geeignet wäre. Alle Informationen werden in einen mal langen, mal weniger langen Text gepackt. Der Spielleiter steht so während des Spiels ständig vor der Schwierigkeit, die für die jeweilige Szene wichtigen Informationen im Text zu finden, zu strukturieren und zu entscheiden, welche Informationen er an die Spieler weitergibt.
Drei Abenteuer – Ein Vergleich
Wie hilfreich eine am Spielnutzen orientierte Strukturierung des Textes ist, verdeutlich bereits ein flüchtiger Blick über beispielhafte Seiten aus drei verschiedenen Abenteuern.
In der Bildergalerie links ist eine Seite aus dem Abenteuer Über dem Greifenpass (Klicken zum Vergößern). Der Text ist gemäß den drei Kategorien unterteilt und liefert dem Spielleiter rasch die gesuchten Informationen. Die mittlere Seite stammt aus dem Myranor-Abenteuer Die Ewige Mada. Das eigentlich tolle Abenteuer ist durch sehr lange Fließtexte gekennzeichnet, die durch ihre fehlende Strukturierung äußerst unübersichtlich sind. Besser macht es das dritte Beispiel im rechten Bild. Die Seite stammt aus dem Abenteuer Porto Velvenya, das für ein aktuelles Abenteuer eine sehr übersichtliche Strukturierung besitzt.
War früher also nicht nur manches anders, sondern sogar besser? Nicht unbedingt. Die Einordnung in allgemeine Informationen, spezielle Informationen und Meisterinformationen ist nicht die Lösung aller Probleme. Einen Text zwanghaft in drei Kategorien pressen zu wollen, kann oft zu holzschnittartig wirken. Zudem setzen die allgemeinen und speziellen Informationen – bei denen es sich häufig um Vorlesetexte handelte – manchmal gewisse Verhaltensweise der Helden voraus, die die Entscheidungsfreiheit der Spieler eingeschränken.
Drei Kategorien – Keine Chance?
Das eigentliche Problem aber, warum sich die alte Struktur in aktuelle Abenteuer selten umsetzen lässt: In neuen Abenteuern gibt es kaum allgemeine und spezielle Informationen. Die Texte in neueren Abenteuern skizzieren häufig nur noch grob die Handlung. Ausführliche Beschreibungen von Situationen und Örtlichkeiten sind die Ausnahme. Die zunehmende Komplexität der Abenteuer führt zudem häufig dazu, dass die notwendigen Informationen über mehrere Kapitel verstreut sind.
Neuere Abenteuer sind ohne enormen Vorbereitungsaufwand durch den Spielleiter kaum noch spielbar. Mein Eindruck ist: Obwohl die Abenteuer immer mehr Seiten haben, sind die einzelnen Szenen der Abenteuerhandlung immer weniger ausgearbeitet. Anders die alten DSA-Abenteuer, die meist nach einmaligem Durchlesen spielbar waren. Davon sind neue Abenteuer weit entfernt – was nicht zuletzt auf die gestiegenen Ansprüche der Spieler an die Abenteuerhandlung zurückzuführen ist.
Vielleicht ist es an der Zeit, sich auf die Vorzüge der frühen DSA-Abenteuer zu besinnen. Ich würde mich über ein Abenteuer mit schwarzen Balken und allgemeinen und speziellen Informationen freuen.
12 Gedanken zu “Plädoyer für Schwarze Balken”
Jetzt, da Du das schreibst… Hab darauf mal eben durch ein paar Abenteuer diverser Systeme gestöbert. Die schwarze Balken bei alten DSA-Abenteuern sind tatsächlich hilfreich und strukturieren den Text deutlich.
Vielleicht ist das mit den derzeit genutzten Layoutprogrammen nicht mit einem Mausklick getan und wird deshalb nicht genutzt. 😉
Schöne Feiertage erstmal!
Ich kann dem nur beipflichten. Eine Gliederung, wie oben beschrieben, führt vor allem auch dazu, dass man Informationen komprimiert und bündelt. Daran kranken heutzutage viele DSA Abenteuer. Wichtige Informationen sind unstrukturiert über lange Fließtexte verteilt, so dass man bei der Vorbereitung entweder mit Textmarker oder mühsamem herausschreiben sich die Szenen erarbeiten muss. Wenn man Abenteuer nicht nur als Ideengeber sondern auch während des Spielens am Tisch verwenden will, wären mehr Struktur aber auch Informationsbündelung ein Schritt in die richtige Richtung.
PS: Frohe Ostern 😉
Die alten Romane litten bis zur Unbrauchbarkeit darunter, das deren Designer sich Autoren für Literatur hielten.
Es keine Zusammenfassung gab, da man den Leser und Meister ja mit der Geschichte überraschen wollte…
Es gibt mMn nichts überflüssigeres und kontraproduktiveres als Szenen in einem Abenteuer. Ein Abenteuer hat keine Szenen, Kulissen und Requisiten zum Szenenbau wären aber nützlich.
Ohne jetzt auf die Schnelle neue oder alte Abenteuer aufzuschlagen wage ich, gemäß jüngster Meistererfahrung, zu behaupten, dass zumindest neue Vorlesetexte und alte Allgemeine Informationen ganz ähnlich und auch ähnlich gut funktionieren.
Woran die neueren Abenteur etwas kranken ist, dass was früher Meisterinformationen und Spezielle Informationen waren jetzt in einen Fließtext gepackt wird. Da leidet natürlich die Übesichtlichkeit etwas. Ich ertappe mich da auch immer wieder dabei spezielle Informationen zu suchen, von denen ich doch „genau“ weiß, dass die in diesem Text wo stehen.
Andererseits muss ich auch Radul weiter oben beipflichten. Ob es jetzt besser wäre, Abenteuer wie früher streng in Szenen zu gliedern die jeweils allgemeine, spezielle und Meister Informationen erhalten ist wohl fraglich. Man kann aber überlegen die langen Fließtexte etwas aufzubrechen und zu Strukturieren. Graue Kästchen mit Detailinformationen sind neuerdings einigermaßen beliebt wenn ich mich nicht irre?
Am Ende ist das wohl eine Geschmacksfrage, deren Beantwortung vom jeweiligen Meister abhängt. Ich für meinen Teil würder auch für die neuen Abenteuer manchmal zwar etwas mehr oder eine bessere Strukturierung des Textes wünschen kann aber mit den Texten wie sie sind auch arbeiten. Das verlangt natürlich etwas mehr Vorbereitung und Bereitschaft zum (konsequenten!) Improvisieren, wenn man einen genauen Wortlaut mal nicht findet (Verphext noch eins! Das stand hier doch wo!).
Schöner Artikel. Wie sagte mal ein Kumpel? Abenteuer schreiben ist nichts für Autoren, das ist Handwerk. Gerade Abenteuer müssen da meiner Meinung nach hohe Anforderungen erfüllen. Man muss sie beim ersten Lesen gleich grundsätzlich verstehen und dann beim leiten unter (mehr oder weniger großem) Stress schnell die richtigen Infos finden. Auf dem Feld ist insgesamt noch massiv Luft nach oben, auch wenn es ohne Eisenbahn schwieriger ist. Aber gerade solche kleinen Strukturierungshilfen sind dafür sehr wichtig. Nicht nur bei DSA sollte da mehr Wert drauf gelegt werden.
Rollenspiel ist ein Spiel, Spiele werden designt nicht geschrieben.
Die Strukturierung in Allgemeine, Spezielle und Meisterinformationen war ein Relikt aus der Dungeon-Zeit von DSA, in dem diese Aufteilung weitaus sinnvoller war als in den späteren RR-Schinken. In Dungeons (Die auch mal ein Moor, ein Traum oder ein ganzer Landstrich sein konnten) war es unglaublich hilfreich und unbestritten sinnvoll, diese Einteilung durchzusetzen. Ich vermute mal, dass man sich mit DSA 4 schlussendlich von dem alten „Ballast“ trennen und Wege beschreiten wollte, die dem neuen DSA angemessener waren. Leider hat man es dabei versäumt, einen sinnvollen Ersatz für die alte Struktur zu finden, wodurch die Sache sehr unübersichtlich wurde.
Die Diskussion Autor vs. Designer klemm ich mir mal, die ist eh total fruchtlos.
Was den Textaufbau angeht: Man kann mit Infoboxen zu NSCs, Locations und anderen kleinteiligen Infos schon eine Menge reißen, und auch vordefinierte, durchgehende Strukturen helfen. Dazu thematisch trennende Absätze und sinnige Überschriften und die Sache sieht schon gar nicht mehr so bleiwüstig aus. Strukturiert aufgezogen und mit Querverweisen versehen spart man sich dazu noch im späteren Produkt eine Menge Geblätter. Ist halt Handwerkszeug.
Beide Daumen rauf.
Die Struktur mit den schwarzen Balken hat ihre Vorteile und hat auch ihre Tücken. Die Dreiteilung sorgte bei mir zu oft für ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, denn leider wurden Informationen nicht konsistent vergeben. So musste man die Allgemeinen Informationen stets durchschauen, ob da nicht etwas dazwischen war, das in die Speziellen informationen gehört. Und bei den Speziellen Informationen war oft etwas dabei, was eigentlich in die Meisterinformationen gehörte usw.
Und die Dreiteilung kann auhc lange Fließtexte nicht verhindern. Habe mir als willkürliches Beispiel „Ring der Seelenlosen“ aus dem Regal gegriffen, ein DSA 3 Abenteuer der späten Sorte. Ziemlich lange Texte, kaum Überschriften, es ist schwierig, darin eine bestimmte Information zu finden.
Und immer, wenn auch DSA-4-Abenteuer so lange Texte hatten, litt die Übersichtlichkeit. Und umgekehrt gibt es auch DSA-4-Abenteuer, die mit vielen Überschriften, Erläuterungskästen und Stichpunkten strukturiert sind. So habe ich es jedenfalls beim „Unersättlichen“ gemacht. Unzufrieden bin ich allerdings mit der schlechten Erkennbarkeit der Überschriftenhierarchie. Die hätte deutlicher sein können, das sorgt auch nochmal für Struktur.