Der Tharun-Weltenband – Eine Art Rezension

Tharun - Die Welt der Schwertmeister - CoverOst-asiatisch angehauchte Settings sind ja nicht so mein Ding. Die erste Reaktion auf den Tharun-Weltenband war daher Stirnrunzeln. „Bisschen viel Japan“, so mein Gedanke nach dem Durchblättern. Aber gut. Auch Myranor mit all seinen merkwürdigen Fellwesen stand ich lange skeptisch gegenüber, bis mich der Uhrwerk Verlag mit Unter dem Sternenpfeiler davon überzeugen konnte, dass sprechende Katzen und tolle DSA-Produkte kein Widerspruch sein müssen.

Mit Die Welt der Schwertmeister veröffentlichte der Uhrwerk Verlag in der vergangenen Woche einen Settingband für DSA, der die mystische Hohlwelt Tharun vorstellt. Nach langer Zeit wird damit das bereits 1987 in den Schwertmeister-Boxen eingeführte Reiche Tharun wieder beschrieben. Die Autoren knüpfen an die alte Vorlage an, haben aber, wie sie im Vorwort erläutern, manches verändert und neu interpretiert. Sie haben neue Verknüpfungen zu den anderen DSA-Settings geschaffen und Tharun von der ursprünglichen Superhelden-Vorlage gelöst.

Auf 275 Seiten bekommen DSA-Spieler eine möglichst umfassende Beschreibung Tharuns. Die Welt der Schwertmeister enthält Informationen über die Wege in die Hohlwelt, über die Geschichte und Mythologie und über die tharunische Götterwelt. Der Schwerpunkt jedoch liegt auf der Beschreibung der tharunische Gesellschaft und der Neun Reiche Tharuns. Zusammengenommen umfassen diese beiden Kapitel fast 200 Seiten.

Die Welt der Schwertmeister

Tharun ist eine Welt der Inseln. Große Landmassen fehlen, stattdessen prägen tausende Inseln unterschiedlicher Größe das Bild. Neun Reiche herrschen über die Inseln, und jedes dieser Reiche unterscheidet sich durch kulturelle Eigenarten von den anderen. Gleichwohl haben all diese Menschenreiche viele Gemeinsamkeiten.

Die Tharun-Karte. Leider nicht groß und auf sehr dünnem Papier gedruckt.
Die Tharun-Karte. Leider nicht groß und auf sehr dünnem Papier gedruckt.

Ein beständiger Faktor im Leben aller Menschen ist die äußerst lebensfeindliche Welt. Menschen gehören zu den schwächsten Kreaturen der Hohlwelt, in der Rieseninsekten hausen, vielgestaltige menschenfressende Ungeheuer umgehen oder auch einäugige Riesen leben. Das prägt. Eine strikten hierarchische Gesellschaftsordnung soll den Zusammenhalt und das Überleben sichern. Die herrschendes Schicht bildet die Kriegerkaste, eine dominante religiöse Ordnung bestimmt das Leben in Tharun zusätzlich.

Das ist die Welt, in die der Uhrwerk Verlag DSA-Spieler schicken möchte. Die tharunische Gesellschaft erinnert stellenweise tatsächlich an Japan (und die Illustrationen verstärken den Eindruck), doch ist Tharun erfreulicherweise kein Japan-Rollenspiel geworden. Die Hohlwelt bietet viel mehr. Manches davon gefällt mir sehr gut, anderes nicht so.

Das gefällt mir am Tharun-Weltenband überhaupt nicht

Der Tharun-Weltenband hat ein Problem, das viele andere DSA-Bücher auch haben: Geschwafel. Nebensächlichkeiten nehmen zu viel Raum ein. Die Beschreibung der Neun Reiche Tharuns, die knapp die Hälfte des Buches umfasst, liest sich teilweise zäh. Statt die Besonderheiten der einzelnen Reiche und Archipelen herauszustellen, verfallen die Autoren häufig in eine enzyklopädische Beschreibung, in der es nicht mehr um Abenteuer in einer Fantasy-Welt geht, sondern um Agrarwirtschaft. Gähn.

Tharun-Inhalt - Beschreibung der Archipelen
Das Herzstück des Bandes: Die Beschreibung der Neun Reiche.

Warum sollte ich in Tharun spielen wollen? Die Beantwortung dieser Frage hätte eigentlich im Mittelpunkt des Weltenbandes stehen sollen. Tut sie aber nicht immer. Dabei gibt es spannende Gründe für das Spiel in Tharun. Es ist eine gefährliche Welt voller tödlicher Tiere und Pflanze, in der sich die Menschen häufig als schwächstes Glied einer Kette gegen die unerbittliche Natur behaupten müssen. Es ist eine Welt, die in vielen Teilen fantastischer ist als Aventurien, in der aktive Elementargiganten das Leben prägen, in der Drachen eine eigene Stadt bevölkern, in der rätselhafte Kreaturen leben, deren Begegnung noch kein Mensch überlebt hat.

All das gibt es in Tharun, wird jedoch nicht deutlich genug herausgestellt, sondern oft nebenbei erwähnt – irgendwo zwischen der Beschreibung typischer Landschaftsmerkmale, der Aufzählung agrarischer Hauptexportgüter und der Bestimmung der Gütequalität mineralischer Bodenschätze.

Das gefällt mir am Tharun-Weltenband am besten

Das Beste an Tharun sind die Geheimnisse. Gerade das Erkunden, Entdecken und Erforschen und das Fantastische, Geheimnisvolle und Unbekannte faszinieren mich als Spieler. Aventurien in seiner Detail- und Metaplot-Dichte kann mir das leider nicht (mehr) bieten. Tharun hingegen schon. Wenn auch erst auf dem zweiten Blick.

Der Tharun-Weltenband. Fast 300 Seiten dick
Der Tharun-Weltenband. Fast 300 Seiten dick

Auf dem ersten Blick wirkt Tharun statisch und langweilig. Die Spielwelt wird bevölkert von Menschen, die in einer extrem starren Gesellschaftsstruktur gefangen sind, ein abgeschottetes Dasein auf ihren Insel fristen, ihren Alltag damit verbringen, sich gegen die unerbittliche Natur zu behaupten, und gelegentlich (Achtung, Spannungshöhepunkt) auf eine gefährliches Tier treffen. Schnarch.

Doch zum Glück gibt es die Geheimnisse. Tharun hat sie, jedes der neun Reiche hat sie, nahezu jedes Archipel hat sie – und sie erst machen Die Welt der Schwertmeister reizvoll. Jedes Kapitel, in dem eines der neun Reiche beschrieben wird, beinhaltet einen Abschnitt über Geheimnisse – und teilweise sind dort faszinierende Idee dabei. Allein das Geheimnis um den Tharun, den Gesamtherrscher über die Welt, ist großartig und kann Quelle für eine enorme Dynamik in der Spielwelt sein.

In Tharun gibt es endlich (auch für Spieler) wieder etwas zu Erkunden, Entdecken und Erforschen. Es gibt das Fantastische, Geheimnisvolle und Unbekannte. Und es gibt genug Freiheiten, um eigene Ideen umzusetzen.

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