Ich bin überrascht. Eigentlich hatte ich die 5. Regeledition für Das Schwarze Auge bereits als müdes DSA 4.2 abgehakt. Und dann das: Kurz vor Ende der Beta-Phase verkündet die Ulisses-Redaktion geradezu radikale Regeländerungen (zumindest für DSA-Verhältnisse).
Gestern veröffentlichte Redakteur Alex Spohr auf der Ulisses-Homepage einen weiteren DSA5-Zwischenstand und lieferte einen Überblick der Regeln, die gegenüber dem Beta-Regelwerk geändert werden. Die zwei wichtigsten Änderungen betreffen die Fertigkeitsprobe und den Kampf.
Änderungen im Fertigkeitssystem
Bei Fertigkeitsproben werden Erschwernisse und Erleichterungen künftig nicht mehr mit dem Fertigkeitswert verrechnet, sondern mit den an der Probe beteiligten Eigenschaften. Dadurch können selbst bei einer erschwerten Probe alle Fertigkeitspunkte übrigbehalten werden – anders als früher, als man bei Erschwernissen automatisch Punkte verlor.
Auf der Ulisses-Homepage wurde das neue Fertigkeitssystem bereits im vergangenen Monat detailliert vorgestellt (damals noch als eine denkbare Alternative):
- Die Modifikatoren werden jeweils vollständig von jeder einzelnen Eigenschaft abgezogen. Eine Erschwernis von 4 Punkten bedeutet also: Jede der drei Eigenschaften bei der Probe bekommt einen Abzug von 4 (die Erschwernis wird also nicht verteilt).
- Erleichterungen bringen stattdessen Punkte für die Eigenschaften ein. Eine um 2 Punkte erleichterte Probe würde also allen beteiligten Eigenschaften bei der Fertigkeitsprobe einen Bonus von 2 Punkten gewähren.
- Eine Fertigkeitserschwernis bedeutet also, dass man Punkte auf alle Eigenschaften verliert, eine Fertigkeitserleichterung hingegen addiert bei dieser Probe auf alle Eigenschaften Punkte dazu.
Beispiel: Ein Held mit den Eigenschaftswerten 12/13/14 und einem Fertigkeitswert von 7 muss eine Probe bestehen, die um 2 erschwert ist. Er verrechnet die Erschwernis direkt mit seinen drei Eigenschaftswerten, sodass er auf 10/11/12 würfeln muss. Bei der Probe verfügt er immer noch über seine 7 Fertigkeitspunkte. Die Erschwernis wurde nicht wie früher direkt von seinem Fertigkeitswert abgezogen.
Änderungen im Kampfsystem
Das Kampfsystem in der DSA5-Beta-Version war dem von DSA4 ähnlich. Im Verlauf der Beta-Phase hat Ulisses offenbar erkannt, dass mit dem bisherigen System eines der Ziele der neuen Regeledition nicht erreicht wird: den Kampf zu beschleunigen. Die Kämpfe dauerten laut Ulisses auch mit den DSA5-Betaregeln „regelmäßig zu lange. Ein Kampf mit 5 Helden und 10 Gegnern konnte schon mal einen halben oder ganzen Spielabend dauern.“
Als größter Bremser im Kampfsystem wurde die aktive Parade erkannt. Die besten Chancen für eine Beschleunigung der Kämpfe hat Ulisses in der allgemeinen Senkung der Parade erkannt. In den finalen DSA5-Regeln wird der Paradewert automatisch dem halben Attackewert entsprechen, der gegebenenfalls durch Manöver oder Kampfstile modifiziert wird. Durch die gesenkte Parade soll es häufiger zu Treffer und damit zu kürzeren Kämpfen kommen.
Schneller und flüssiger?
Ich möchte die Regeländerung gar nicht im Detail bewerten. Ob die neue Fertigkeitsprobe tatsächlich zu einem „flüssigen, funktionierenden Spiel“ führt, erscheint mir aber zumindest zweifelhaft. Der Rechenaufwand für eine Probe steigt und für den Spielleiter bleibt es schwer abzuschätzen, wie stark sich Erschwernisse und Erleichterungen auf die Erfolgswahrscheinlichkeit auswirken.
Der gesenkte Paradewert zumindest dürfte das angestrebte Ziel erreichen und die Kämpfe beschleunigen. Ob das aber der Königsweg ist? Alternative Kampfsysteme scheinen mir da bessere Lösungen zu bieten, doch dafür hätte Ulisses auf die aktive Parade verzichten müssen. Das jedoch stand nicht zur Debatte. „Die aktive Parade hatten wir immer als gesetzt angesehen und wir wollten dies nie ändern“, so Alex Spohr im Ulisses-Forum.
Besser spät als nie?
Die Vor- und Nachteile der neuen Regeln wurden im Ulisses-Forum bereits ausgiebig diskutiert. Ob die Änderung ein schnelleres und flüssigeres Spiel ermöglichen, kann und möchte ich an dieser Stelle gar nicht beurteilen. Das eigentlich Bemerkenswerte an den neuen Regeln ist ohnehin etwas anders: dass es sie überhaupt gibt. Ulisses ändert die DSA-Regeln mit der fünften Regeledition stärker, als ich es erwartet hätte. Ich bin positiv überrascht.
Ob sich der Verlag jedoch einen Gefallen damit tut, derart weitreichende Regeländerungen kurz vor dem Ende der Beta-Phase anzukündigen? Wesentliche Elemente der finalen Regelversion sind damit nicht Teil des eigentlichen Betatests. Man kann nur hoffen, dass Ulisses die neuen Regeln gründlich durchdacht hat und nicht kurz nach dem Erscheinen von DSA5 ein DSA5.1 nötig wird.
14 Gedanken zu “Kurz vor Ende der Beta-Phase: DSA5 überrascht mit deutlichen Regeländerung”
nein, tun sie nicht, weil offensichtlich keiner diese „Ideen“ mal nüchtern durchgerechnet hat…
Ich „freu“ mich schon, wenn man selbst mit Charakteren, die mehrere Jahre gespielt haben, beim Stufensteigen scheitern…
Die Erfolgswahrscheinlichkeiten waren schon vorher schwer abzuschätzen – von daher ändert das nicht viel
Ich halte zwar nach wie vor die Kampfrunden/Zeiteinheiten für das größte Problem der lange andauernden Kämpfe, aber ansonsten schließe ich mich deinen Gedankengängen an.
Danke, dass du das nochmal aufgeschlüsselt hast. Ich hab die News bei Ulisses zwar gelesen, aber wusste nicht, was es mit der Fertigkeitsprobe dann genau auf sich hat.
Das neue System ist damit natürlich grobkörniger, es gibt Erschwernisse quasi nur (in DSA4 Sprache) in 3-er Schritten (eine Erschwernis +1 wäre früher ungefähr eine Erschwernis +3 gewesen, aber nur ungefähr).
Außerdem habe ich den Eindruck, dass es damit jetzt auch weniger (sinnvoll-anwendbare) Abstufungen gibt, aber das müsste man mal durchrechnen (eine Probe +4 könnte zum Beispiel schon kaum zu schaffen sein).
Ich frage mich auch, ob man hier jetzt die Effekte auf das Magiesystem hinreichend bedacht hat.
Beim neuen System hat man, wenn man die Probe schafft, automatisch alle TaP* übrig, die Abstufungen, die es bei vielen Zaubern gibt, z.B. beim Odem oder beim Flim Flam, sind jetzt fast hinfällig. Wenn ich den Flim Flam auf TaW 8 habe, ist mein Licht immer genau auf dieser Helligkeitsstufe oder es gibt gar kein Licht.
Ich glaube, das gefällt mir nicht. Das scheint mir Zauberkundige noch mächtiger zu machen und außerdem macht es Zauber viel berechenbarer, was ich nicht gut finde, da das meinen Vorstellungen von Magie widerspricht.
Insgesamt finde ich die Entwicklung bei DSA5 auch kurious. Man fing erst mit Schönheitskorrekturen an und merkte dann später, dass man dann ja seine „Ziele“ (über die wohl vorher auch nicht richtig diskutiert wurde, es gab ja anscheinend keinen rechten Plan), damit nicht erreicht. Also einige radikalere Änderungen. Diese können aber jetzt nicht mehr hinreichend getestet werden, da die Bücher ja irgendwann mal in den Druck müssen.
Andersrum wäre es irgendwie besser gewesen. Erst die Vision, dann radikale Änderungen, dann der Shitstorm der Community, dann evtl. wieder einige Korrekturen zurück zu 4.1, fertig.
Du gehst bei deinem Beispiel von falschen Voraussetzungen aus. Wenn dein Flim Flam einen TaW von 8 hat und die Probe ohne Einsatz von TaP gelingt, hat das Licht heute und zukünftig eine Qualität von 8. Jeder eingesetzte TaP schmälert die Qualität. Es heißt demnach keinesfalls, Licht auf 8 oder Dunkelheit.
Geh mal davon aus, dass zukünftig jede Zauberwirkung von den übrigbehaltenen TaP, nicht vom TaW abhängig ist. Von berechenbar kann hier daher keine Rede sein.
Ja, „interessant“ ist das richtige Wort… so finde ich das neue Probensystem auf den ersten Blick auch, auf den zweiten wird es aber ganz anders funktionieren müssen als bisher, da Modifikationen nun viel stärker zum Tragen kommen als vorher. Mehr als +/-8 dürfe auch im besten Fall nirgends vermittelbar sein.
Außer, man hilft sich mit Bauernkniffen wie den hintenrum erwähnten „Modifikatoren nur auf einzelne Eigenschaften“ statt auf alle, was z.B. hieße, dass eine besonders verklemmte Tür aufzustemmen einen „Kraftakt-1 (KK-4)“ bräuchte – womit man lustigerweise ungefähr wieder beim alten Probensystem wäre. Halte ich am Ende also auch nur für teildurchdacht.
Das Kampfsystem in der Form – naja, dazu möchte ich nicht viel sagen. Nur, dass es einen Kampf sicher *nicht* beschleunigt, einen obligatorischen Wurf in 2/3 der Fälle wirkungslos zu machen. Statt der dubiosen PA=AT/2-Regel hätte man einfach den Mumm haben sollen, die aktive PA gleich ganz zu streichen und nur eine passive PA mit der Option auf Parademanöver bei bestimmten Sonderfertigkeiten entwickeln sollen oder, bei den Zwölfen, einfach ein anständiges Qualitätssystem nutzen. Ist ja nicht so, dass es da nicht das eine oder andere sehr taugliche auf der WikiAventurica gäbe. Aber die Aussage „wäre zu viel Rechnerei“ ist bei gleichzeitiger Vorstellung der neuen Fertigkeitsprobe eher albern.
Danke, dass du dranbleibst, Arkanil.
Bei DSA1 fing jeder Char mit AT10 und PA8 an – und konnte pro Stufe einen Wert um +1 steigern. AT18 PA/17 waren das Maximum. Warum man nicht so etwas ähnliches finden konnte …warum nicht die Urfassung als „Muster“ nehmen und statt dessen DSA völlig umzukrempeln …?
Naja, auf das Gesamtwerk kommt es am Ende an – hoffentlich.
Gerade bei den Änderungen im Fertigkeitssystem frage ich mich, was soll das für einen Vorteil ggü. den alten Regeln bringen? Ich verstehe es jedenfalls nicht …
Die Idee dahinter ist wohl, dass Modifikationen nicht mehr den FW beeinflussen, und man bei einem TaW von 7 auch bei jeder beliebigen Probe bis zu 7 Punkte übrig behalten kann. Das ist eine sinnvolle Überlegung, wenn man bedenkt, dass Sammelproben ein immer häufiger genutztes Regelelement werden. Gleichzeitig stärkt es irgendwie den Einfluss, den die Attributswerte auf den Ausgang von Proben haben.
Auf der anderen Seite gibt’s aber auch genug Nachteile dieses neuen Systems…
Aber ist diese Regeländerung irgendwie „wichtig“? M.E. nicht. Auf jeden Fall wird das System dadurch nicht „einfacher“ sondern eher noch rechenintensiver und dadurch „schwieriger“, na super …
Ich finde bei diesem Mechanismus vor allem Interessant, dass damit die Umkehrung des Vorzeichens bei Erleichterungen und Erschwernissen wieder überhaupt kein Sinn macht. Bei Talentproben wie in DSA4 ist ein Plus für Erschwernisse tatsächlich nicht wirklich sinnvoll und eher als Vereinheitlichung im System bezüglich der Eigenschaftsprobe und aus Gewohnheit geblieben. Wenn die Erschwernis jetzt direkt auf die Eigenschaften geht, hätte man statt dem Ansatz „wir ziehen etwas von der Eigenschaft ab, also ein Minus“ bei dem gewohnten „wir addieren etwas auf den Würfelwurf drauf, also ein Plus“ bleiben können.
Unsinnige Änderungen! Erstens werden die Proben, wie schon erwähnt, viel grobkörniger. Schon so sind normale Proben oft schwer genug zu schaffen. Wie soll ich da als Meister noch feine Abstufungen einbauen? Alles über Erschwernis + (oder -) 3 wird dann trotz gutem Talentwert ständig daneben gehen. Zweitens macht es auch überhaupt keinen Sinn, wenn ich trotz Erschwerung der Probe alle Punkte übrig behalte. Beispiel: Wenn ich versuche, schnell zu laufen und mir wird das erschwert, weil es Bergauf geht, dann laufe ich, selbst wenn ich es schaffe, alles aus meinem Körper heraus zu holen, trotzdem nicht so schnell wie in der Ebene. Anderes Beispiel: Ich versuche ein Bild zu malen, bin aber gerade total besoffen, weil mein Konkurent heimlich Schnaps in meinen Apfelsaft gekippt hat, werde ich es dann bei einer gelungen Probe trotzdem schaffen ein Meisterwerk zu malen? Höchstens wenn man auf abstrakte Kunst steht!