Spielleiterschirme sind dankbares Rezensionsmaterial. Ein Pappschirm, vorne Bilder drauf, hinten Tabellen drin, meist liegt noch irgendein Heftchen bei, fertig ist das Ding. So was ist schnell gelesen, und wahrscheinlich auch schnell produziert.
Kaum ein größeres Rollenspiel kommt heute noch ohne Spielleiterschirm aus. Sie sind die moderne Maske der Meisters: der Spielleiter versteckt sich dahinter, es sieht merkwürdig aus und der Nutzen ist manchmal zweifelhaft.
Zur Spielemesse nun hat der Uhrwerk Verlag seinem Fantasy-Rollenspiel Splittermond einen Spielleiterschirm spendiert. Erste Vorabexemplare waren auf der Messe für 24,95 Euro erhältlich, der eigentliche Verkaufsstart soll Ende Oktober oder Anfang November erfolgen. Für den Preis bekommen Käufer den Sichtschirm, bestehend aus vier Hartkarton-Paneelen, und ein 32-seitiges Beiheft.
Das Äußere
Was nach dem Aufklappen des Splittermond-Spielleiterschirms sofort auffällt: Der Meister kann sich dahinter nicht mehr so gut verstecken. Die vier Kartonseiten sind im Querformat angeordnet, dadurch ist der Spielleiterschirm deutlich breiter, aber nicht mehr so hoch.
Der Uhrwerk Verlag begründet seine Formatentscheidung so: „Wir wollten als Cover-Illustration eine stimmungsvolle Panorama-Landschaftscollage haben, die die verschiedenen Regionen Lorakis‘ auf den einzelnen Paneln darstellt – und das geht quer eindeutig besser als hoch.“
Mit Bildern ist das immer so eine Sache… eine Geschmackssache nämlich. Meinen Geschmack trifft die Zeichnung nicht ganz, andere hingegen sind von der Collage begeistert. Mir gefallen die Zeichnungen im Beiheft deutlich besser, doch dazu später mehr.
Das Innere
Im Innenteil des Schirms hat der Verlag alle wichtigen Tabellen und Regeln aufgelistet , die ein Spielleiter während des Spiels am Tisch benötigt. Das ist zumindest der Anspruch. Bei der Auswahl haben die Verantwortlichen auf die Erfahrungen der Spieler im Splittermond-Forum zurückgegriffen und ein Stimmungsbild eingeholt, welche Tabellen und Listen sinnvoll sind. Ob die Auswahl gelungen ist, ob vielleicht wichtige Angaben vermisst werden oder vorhandene überflüssig sind, kann nur die Spielpraxis zeigen. Der erste Eindruck ist aber: das sieht informativ und übersichtlich aus.
Zwei der vier Innenseiten des Splittermond-Spielleiterschirms zeigen Tabellen und Regeln für den Kampf: von der Aktiven Abwehr über Wundabzüge und Kampfmodifikatioren bis zu einer Auflistung der möglichen Kampfhandlungen. Die anderen beiden Seiten des Innenteils enthalten Tabellen und Informationen für die allgemeine Regeln und die die Magieregeln. Dort, wo es sinnvoll ist, findet sich zudem ein Seitenverweis auf das Regelbuch.
Das Beiheft – generische NSCs
Das Beiheft schließlich enthält eine Sammlung von 29 generischen Nichtspielercharakteren und die Beschreibung von 32 lorakischen Persönlichkeiten. Eigentlich bin ich kein großer Fan von NSC-Sammlungen, doch in diesem Fall erkenne ich den Spielnutzen.
Die Sammlung generischer Charaktere liefert einen kurzen Beschreibungstext und spielrelevante Werte für typische NSCs, die immer wieder in Abenteuern auftauchen: Vom Bauern, über den Gardisten und den Priester, bis hin zum Tagelöhner und Wirt ist fast alles dabei. Wenn die Helden also demnächst mal wieder über den Preis für das neue Kurzschwert verhandeln wollen, reicht ein Blick ins Heft: Seite 7, Händler, Redegewandtheit 13 (Schwerpunkt Feilschen I), Zitat: „Das ist kein Angebot. Das ist eine Beleidigung“. Dann mal los. Durchaus praktisch.
Das Beiheft – lorakische Persönlichkeiten
Etwas anders sieht das mit der Beschreibung der 32 lorakischen Persönlichkeiten aus. Darunter finden sich laut Uhrwerk einige bekannte Gesichter, die schon im Welt- oder Regelband aufgetaucht sind, aber auch viele neue Namen. In der Einleitung des Beiheftes wird klargestellt, dass es sich dabei nicht immer um Prominente handelt, sondern auch um Personen, die bestimmte Funktionen erfüllen, auf die in Abenteuern immer wieder zurückgegriffen wird.
Bemüht haben sich die Autoren nach eigenen Angaben um eine möglichst „bunte Mischung aus unterschiedlichsten Professionen, Regionen, Gesinnungen und Funktionen“. Das ist ihnen gelungen. Dadurch aber wirkt die Auswahl zugleich willkürlich. Da die 32 Beschreibungen nicht in einen größeren Zusammenhäng eingeordnet werden, erschließt sich dem Leser nicht immer, welche Rolle, Bedeutung und Funktion diese Charaktere haben.
Nach dem Lesen der 32 Personenbeschreibungen bleibt die Frage: „Was mache ich jetzt damit?“ Die Antwort darauf lautet wohl: „Nicht viel.“ Es ist ein netter Lesestoff, es bietet einen Einblick in die Spielwelt, es ist bestenfalls eine Inspirationsquelle, die Zeichnungen der Charaktere sind teils fantastisch, wenn auch die sehr unterschiedlichen Zeichenstile ein wenig störend wirken, aber viel mehr kann ich damit nicht anfangen.
Die moderne Maske des Meisters
Die Frage nach dem Sinn der 32 Persönlichkeitsbeschreibungen ist aber auch der einzige größere Kritikpunkt. Ansonsten tun Splittermond-Spielleitschirm und NSC-Beiheft das, was sie tun soll. Womit wir wieder bei der Maske des Meisters wären.
Ein Verstecken ist hinter dem Schirm durch das Querformat kaum mehr möglich. Die Panorama-Collage auf der Rückseite soll lorakische Stimmung verbreiten, sieht für meine Geschmack aber ein wenig merkwürdig aus (gut, Geschmackssache). Entscheidend aber ist: Im Gegensatz zur Maske des Meisters erscheint der Splittermond-Spielleiterschirm durchaus nützlich zu sein.
6 Gedanken zu “Rezension: Der Splittermond-Spielleiterschirm”
Ich persönlich bevorzuge schirme im „Landscape“-Format, da hat man mehr platz hinterm schirm, und ist nicht so von seinen Spielern „getrennt“ wie man es bei Schirmen im „Protrait“-Format ist.
Zu den 32 Einzelpersonen: Also ich weiß durchaus, was man mit denen alles anstellen könnte… Aber man muss dafür eben auch die Welt gut kennen, um zu begreifen, was für eine Bedeutung diese Charaktere haben.
Wichtiger Punkt übrigens noch für die Entscheidung pro Querformat: Bei uns ist es auch für den SL wichtig die Mitte des Tisches zu sehen, denn dort liegt die Tickleiste. Da ist ein nicht so hoher Schirm deutlich praktischer im Spiel.
Querformat ziehe ich auch vor für unser Ini-Blatte in der Tischmitte und um besseren Augenkontakt mit meinen Mitspielern halten zu können. Das Motiv finde ich sogar gelungen; negativ könnte ich sagen, denn es verspricht mal wieder mehr, als das Setting einlöst. Inwieweit die Tabellenauswahl gelungen ist, mögen Regelkenner beurteilen, mit meinen flüchtigen Kenntnissen erschien sie mir *sehr* hilfreich. Das NSC-Heft bietet praktische Generika, wobei eine Aussehenszufallstabelle mir entgangen ist. Ist die tatsächlich nicht dabei? Die Promi-Sparte, naja, das ist eher, ich weiß nicht. Wenn die wichtig werden, müssen sie in anderen Publikationen nochmal erwähnt werden, d.h. Du gibst einmal umsonst Geld dafür aus, und vom Geschmack her kann ich sie nicht einschätzen.
Fazit. Tabellenzusammenstellungen mach ich zu jedem System sowieso selbst, einen genauso hübschen Schirm baue ich mit allfälligen Heimvorräten rasch zusammen, und das Heft ist im Promiteil nutzlos. EIn besserer Schirm als viele, die ich gesehen habe, aber auch hier wieder mit wenig Nutzen für 25,–.
Das Panorama-Bild, das die Spieler-Seite ziert finde ich großartig. Aber mit Splittermond/Lorakis verbinde ich das Bild irgendwie nicht. Eher mit Earthsea. Oder meine SL-lose Everway-Kampagne, die daran angelehnt ist. (Vielleicht hole ich mir den Schrim wegen des Bildes und packe hinten Everway-Regeln drauf, sodass der Schirm als Regelreferenz für alle Spieler funktioniert. Die NSC können sicher irgendwie genutzt werden.)
Mal eine blöde Frage … warum sollte ich mich als Spielleiter „verstecken“ wollen? Ich habe bisher immer nur mit einigen wenig Stimmungsvollen Ordnern o.ä. als Sichtschurz gespielt. Mich aber nie dahinter verkrochen um mich zu verstecken. Oder habe ich die Ironie darin nicht gefunden? 🙂