Rezension: Unter dem Sternenpfeiler

Unter dem Sternenpfeiler - CoverEine solche DSA-Regionalbeschreibung habe ich bislang noch nicht in den Händen gehalten. Die fast 30-jährige DSA-Geschichte hat die Havena-Box und Heftchen wie Das Königreich am Yaquir hervorgebracht, später die Regionalboxen, heute die grünen Hardcover-Bände. Durch all diese Bücher und Hefte habe ich geblättert. Aber eine Regionalbeschreibung wie Unter dem Sternenpfeiler ist mir bislang noch nicht untergekommen. Die Beschreibung des myranischen Kontinents setzt für DSA neue Maßstäbe.

Doch der Reihe nach.

Mein erster Gedanken als ich Unter dem Sternenpfeiler in der Hand hielt: Puh, ist das Buch dick. Der zweite Gedanke: Ui, ist das schön bunt. Der dritte Gedanke: Boah, ist die Schrift klein. Zwischen den Buchdeckeln hat der Uhrwerk-Verlag über 300 vollfarbige und eng beschriebene Seiten gepackt. Das hat seinen Preis. Mit 40 Euro gehört Unter dem Sternenpfeiler zu den teuersten DSA-Produkten. Doch schon ein erstes Durchblättern vermittelt den Eindruck: Der Band ist sein Geld wert.

Unter dem Sternenpfeiler ist für Myranor das, was die Geographia Aventurica für Aventurien ist: Ein Überblick über die einzelnen Regionen des Kontinents, die Geographie, Geschichte, Gesellschaft und Kultur. Zwischen beiden DSA-Büchern liegen fast zehn Jahre – doch trennt sie weit mehr als nur die Zeit.

Das Aussehen

Unter dem Sternenpfeiler ist ein wahrer Augesnchmaus. Wo Geographia Aventurica mit einem Durcheinander an Schriftarten, Überschriften, Kästchen, Absätzen, Textblöcken, Kapitel, Unterkapitel und Zeichenstilen den Leser verwirrt, verwöhnt die Myranor-Regionalbeschreibung mit einem wunderschön übersichtlichen Layout. Das – und gar nicht mal die vollfarbigen Seiten – macht das Buch so ansehnlich.

Die farbige Darstellung verstärkt den positiven Gesamteindruck und ist zugleich einer der größten Unterschiede zu den altbekannten DSA-Büchern. Es gibt Spieler, die bevorzugen Schwarz/Weiß. Das hat meist nostalgische Gründe. DSA-Bücher waren immer schon Schwarz/Weiß, vollfarbige Bänden wirken auf manche Spieler „un-DSA’isch„. Ich gehöre nicht dazu, mir gefallen die vollfarbigen Seiten besser.

Unter dem Sternenpfeiler - Reisen über LandDie Zeichnungen, die meist einen angenehm einheitlichen Stil haben, sind durch die Farbe hübsch anzusehen. Leider gibt es nur sehr wenige von ihnen. Gerade bei der Vorstellung der myranischen Besonderheiten (Spezies, Fortbewegungsmittel) wären mehr Zeichnungen hilfreich gewesen. Zudem hätten sie die teils sehr textlastigen Seiten etwas aufgelockert. Doch das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.

Der große Vorteil einer vollfarbigen Darstellung zeigt sich ohnehin nicht anhand der Zeichungen. Hübsche Bilder gibt es auch in Schwarz/Weiß. Der große Vorteil zeigt sich an anderer Stelle: Bei den Karten. In dem Buch finden sich zahlreiche abgedruckte Übersichtskarten, die in ihrem Stil an die Karten erinnern, die den aventurischen Regionalbeschreibungen beiliegen. Solche Karten wirken in Farbe einfach besser.

Der Inhalt

Das Buch gliedert sich grob in sechs Kapitel:

  • Grundlagen der imperialen Gesellschaft
    Das Imperium ist das flächenmäßig größte Reich Myranors. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über zentrale Bereiche der imperialen Gesellschaft: Die Geschichte, Religion, Magie, Wissenschaft und Technik. Ebenso werden die imperiale Gesellschaft, die Politik und das Militär vorgestellt.
  • Kultur der imperialen Städte
    Myranor ist ein Kontinent der Städte. In diesem Kapitel werden typische Elemente myranischer Städte und das Alltagsleben beschrieben. Ein Städtegenerator ermöglicht dem Spielleiter das rasche Erstellen eigener Städte.
  • Weitere Völker und Kulturen
    Neben der prägenden imperialen Kultur gibt es zahlreiche weitere Völker und Spezies in Myranor. Über 20 dieser Kulturen werden vorgestellt, wobei sich die Beschreibung teils mit der aus Wege nach Myranor deckt.
  • Außerhalb der großen Städte
    Überlandreisen als wichtigem Element vieler Abenteuergeschichten wird ein großer Platz eingeräumt: Es geht um Straßen und Fahrzeuge, Hochsee- und Binnenschifffahrt, Luftreisen und Himmelssegler.
  • Regionen
    Über 25 Provinzen werden sehr detailreich vorgestellt. Auf jeweils drei bis fünf Seiten werden Landschaft und Klima, Bevölkerung und interessanten Orte, Geschichte, Gesellschaft, Recht und Gesetz, Politik, Wirtschaft, Religion und Brauchtum beschrieben. Weitere Regionen, die beispielsweise keine Provinz des Imperiums und weitgehend unbewohnt sind, werden in deutlich kürzeren Texten beschrieben.
  • Geheimnisse und Hinweise für den Spielleiter
    Die Spielleiterhinweise informieren über kosmologische, historische und politische Geheimnisse und Hintergründe. Außerdem enthält dieses Kapitel magische und religiöse Geheimbünde oder Kulte und bietet die Kampfwerte von über vierzig intelligenten Spezies.

Der Schwerpunkt liegt – wie sollte es bei einer Regionalbeschreibung auch anders sein? – auf der Beschreibung der Regionen. Das Kapitel über die Regionen umfasst rund 140 Seiten und nimmt damit fast die Hälfte des Buchs ein. Die anderen Kapitel haben jeweils 30 bis 40 Seiten.

Unter dem Sternenpfeiler - RegionenbeschreibungDie Beschreibung Myranors und seiner Regionen zeigt vor allem eins: Der Kontinent ist groß. Verdammt groß. Und irgendwie abgedreht. Die myranische Kulturen sind eng an die irdische Antike samt ihrer Mythologie angelehnt, integrieren jedoch vielfältige fantastische Elemente. Im Vergleich zu dem meist bodenständigen Aventurien ist das erst einmal ungewohnt, vermittelt insgesamt aber ein in sich stimmiges Bild.

Wo Aventurien manchmal wie ein grob zusammengenähter Flickenteppich unterschiedlichster Ideen, Konzepte und Stile wirkt, die nur schwer miteinander vereinbar sind, wirkt Myranor vor allem: rund. Auf dem Kontinent dominiert die imperiale Kultur, die sich mit zunehmender Distanz zum Zentrum des Reiches mit anderen Einflüssen vermischt. Hinter den Grenzen des Imperiums liegen gänzlich andere Kulturen, die aber wiederum in einzelnen Bereichen von der imperialen Kultur beeinflusst werden. Das passt.

Hilfreich dabei ist die Größe Myranors. Anders als in Aventurien grenzen sehr unterschiedliche Kulturen nicht direkt aneinander, sondern sind wochenlange Reisen voneinander entfernt. Auf dem Weg von einer Region in eine andere werden die Helden durch zahlreiche riesige Städte reisen. Myranor ist ein Kontinent der Städte. Siedlungen mit 20.000 Einwohnern sind weit verbreitet. Die Hauptstädte der imperialen Provinzen (Hoarsiate) haben meist mehrere hunderttausend Einwohner. Zwischen den Städten – besonders in den Randgebieten des Imperiums – liegt die Wildnis. Echte Wildnis. Nicht die aventurische Wildnis, die immer nur einen Steinwurf von der nächsten Siedlung oder Straße entfernt ist.

Die myranische Wildnis ist echt, wild, groß – und häufig unerforscht. Unter dem Sternenpfeiler lässt viele weiße Flecken, die der Spielleiter mit eigenen Ideen füllen kann. Dies soll auch in späteren Publikationen so bleiben. Myranor verzichtet nicht nur auf einen Metaplot, sondern auch auf die aus Aventurien bekannte detaillierte Beschreibung.

Unter dem Sternenpfeiler beschreibt den myranischen Kontinent stimmungsvoll und innovativ, konzentriert sich dabei auf das Wesentliche. Selbst Provinzen von der annähernden Größe des aventurischen Mittelreichs werden auf nicht mehr als vier oder fünf Seiten beschrieben; Städte von der Größe Gareths kommen auf kaum mehr als einen Absatz. Der Rest bleibt der Fantasie der Spieler überlassen. Für langjährige Aventurien-Spieler ist das mitunter eine echte Umstellung. Wem Aventurien aber mittlerweile zu klein und zu detailliert beschrieben ist, wird in Myranor das gelobte Land finden.

Der Aufbau

Wie oft habe ich ich in DSA-Büchern schon verzweifelt hin und her geblättert, vor und zurück, immer wieder, weil ich die gesuchten Informationen nicht gefunden habe. Es ist ein stetes Ärgernis, das mir bei Unter dem Sternenpfeiler erfreulicherweise erspart bleibt. Nicht nur das Layout ist übersichtlich, auch der Inhalt ist wunderbar strukturiert.

Anhand des Kapitels über die Regionen wird zudem das Konzept von Unter dem Sternenpfeiler deutlich: Das Buch ist in erster Linie ein Nachschlagewerk, gedacht für den Einsatz am Spieltisch oder zur gezielten Vorbereitung eines Spielabends. Wo manch andere DSA-Bücher schon mal die Frage aufwerfen, ob es sich dabei noch um Spielmaterial oder nur noch um Lesestoff handelt, setzt Unter dem Sternenpfeiler ein großes Ausrufezeichen hinter die Ausrichtung auf den Spielnutzen.

Das Kernstück des Buches, die Beschreibung der Regionen, ist wunderbar einheitlich aufgebaut: Zunächst ein kurzer Überblickstext, dann das Wappen und eine kurze Infobox, eine Karte der Region und dann folgen Texte über Landschaft und Klima, geographische Besonderheiten, Erscheinungsbild typischer Siedlungen, Geschichte, Gesellschaft, Recht und Gesetz, Regierung und Politik, Wirtschaft, Religion und Sitte und Brauchtum. Immer in dieser Reihenfolge, was die Orientierung und Übersichtlichkeit enorm verbessert.

Man merkt dem Buch an: Hier wurde nicht einfach drauflosgeschrieben. Es hat sich jemand Gedanken gemacht, gute Gedanken. Der Aufbau der Regionalbeschreibung ist vorbildlich und orientiert sich stets am Spielnutzen.

Das Fazit

Unter dem Sternenpfeiler gehört zu den besten DSA-Büchern, die ich bislang in den Händen gehalten habe. Ich möchte mich nicht zu dem Lob versteigern, dass es das beste DSA-Buch aller Zeiten sei. Das wäre übertrieben. Die Bücher müssen immer im Kontext ihrer Zeit und ihrer Vorgänger beurteilen werden. Deswegen ist auch der Vergleich mit Geographia Aventurica nur eingeschränkt zulässig. Aber zu folgendem Urteil lasse ich mich dennoch hinreißen: Unter dem Sternenpfeiler ist das beste DSA4-Buch aller Zeiten.

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